Vorhang auf! Welche Geschichte spielen Ihre Gedanken nun ab? Geschichten begleiten uns seit früher Kindheit. Nicht ohne Grund: Sie beeinflussen unser psychologisches wie unser soziales Verhalten. Geschichten sind wirksamer als Daten und Fakten. Oft verwenden wir Power-Point-Präsentationen, die überzeugen sollen. Geschichten tun es. Im Hirn werden für eine Präsentation mit Aufzählungen nur die für die Sprache verantwortlichen Teile des Hirns aktiviert, wohingegen beim Geschichtenhören die gleichen Hirnregionen aktiviert werden, wie wenn wir das Gehörte selbst erleben würden. Neu ist diese Weisheit nicht. Neurowissenschaftliche Studien belegen sie. Neu ist, dass glaubwürdige Inhalte (Content) immer wichtiger werden. Gutes Storytelling ist entscheidend, da immer mehr Inhalte um die Aufmerksamkeit eines Kunden buhlen. Dies scheint mir ein guter Anlass zu sein, um zu prüfen, wozu Geschichten in Unternehmen taugen.

Was Storytelling in der Unternehmenskommunikation soll

Storytelling nennen wir das Prinzip, Geschichten aufzubauen. Soll sich ein Unternehmen nun von heute auf morgen eine Geschichte aus dem Ärmel zaubern? Nein, bitte beginnen Sie jetzt nicht damit, Märchen zu erzählen oder Geschichten, die keine wahren Werte oder Begebenheiten enthalten. Darauf weist auch Dr. Kerstin Hoffmann in Ihrem aktuellen Blogpost «Vergesst das Storytelling! Rettet den Plot!» Der Plot ist der Kern, das Herz der Geschichte. Ohne Herz lebt die Geschichte nicht und wenn das Herz nicht mit dem Körper Ihres Unternehmens verbunden ist, wird sie nicht damit in Verbindung gebracht. Die innere Logik muss das Unternehmen/die Marke repräsentieren. Es geht darum, die Essenz der Story nicht zu vergessen.

Sind es heute noch die Märchen von gestern sind, die die Lesenden überzeugen? − Moderne Medien haben moderne Märchen, erörtert die Medienwissenschaftlerin Sarah Genner im CAS Social Media Management: «Psychologische Ansätze in den Social Media». Die grundlegenden Wahrheiten sind dieselben geblieben. In der Regel schlummern die Geschichten bereits in den Unternehmen. Kleine und grosse Teile davon werden weiter gereicht und helfen mit, die herrschende Kultur, das bestehende Bild zu transportieren und zu beeinflussen. Deshalb ist es für Unternehmen wichtig, sich der Geschichten bewusst zu sein, die kursieren. Sie könnten gegenläufig zu einer aktuellen Strategie wirken, die das Unternehmen verfolgen will. «Culture eats Strategy for Breakfast», zitiere ich Peter Drucker dabei gerne, der damit ausdrückt, dass die gelebte Kultur stärker ist, als ein aufgesetztes Papier, das den Titel Strategie trägt. Es lohnt sich, die tieferliegenden Bereiche zu beachten und auch auf unbewusste Fragen Antworten zu geben.

Ich fasse zusammen, warum Storytelling für Unternehmen so nützlich ist:

1. Geschichten tragen Botschaften kulturübergreifend weiter.

2. Geschichten wirken wirksamer als reine Informationen.

3. Geschichten unterstützen die Menschen dabei, die Unternehmenswelt, abstrakte Strategien und komplexe Markenwelten zu verstehen,
was das Vertrauen und die Identifikation erhöht. Bei der sich rasch verändernden Umwelt ist dies ein beachtlicher Vorteil. 

4. Die Geschichten, die im Unternehmen erzählt werden, sind unverwechselbar und von Mitbewerbern nicht kopierbar.

5. Der Kern der Botschaft muss das Unternehmen/die Marke wahrheitsgetreu darstellen.

6.  Geschichten arbeiten mit Motiven und Symbolen, die tiefer greifen. 

7. Storytelling ist eine Technik und damit lernbar. 

Die Technik ist lernbar

Eine kleine Einführung in die Technik: Es geht um nichts Neues. Geschichten wurden immer schon erzählt. Die Art, wie die Geschichten aufgebaut sind, veränderten sich im Verlaufe der Geschichte nur wenig (vielleicht im Gleichlauf mit unserem vegetativen Nervensystem, was bekanntlich nicht das Schnellste des Menschen ist, das sich verändert). Wir Menschen haben uns nicht in jeder Hinsicht verändert. Unsere Gefühlswelt ist gleich geblieben. Das einzige, was neu ist, sind die Kommunikationsmittel, welche die Geschichten transportieren.

Was: Die Mission, das Motiv, wie Ihr Unternehmen oder Ihre Marke die Bedürfnisse Ihrer Anspruchsgruppen befriedigt.

Warum: Angst vermeiden und/oder Freude finden

Wie:  Aufbau der Story, zeitlicher und inhaltlicher Rahmen

Womit: Heldinnen und Helden, symbolträchtige Requisiten und aussagestarke Bilder

Wozu: Belohnungsversprechen. Welches Bild ist das Ziel Ihrer Story? Welche Wirkung soll die Geschichte bei wem haben?

Denken wir daran:

«Eine Geschichte muss nicht wahr sein, sie muss stimmen» Walter Benamin, Philosoph

Als Storyteller wollen wir von einer authentischen Geschichte ausgehen, Details wie Orte, Zeitrahmen und Charakterisierung der Personen dürfen wir − je nach Geschichte − ausschmücken.

Heldenreise: Warum viele Filme gleich aufgebaut sind

Obermutten: Bei den Kleinen liegen grosse Geschichten brach

Grosse Unternehmen haben grosse Werbeagenturen mit Kampagnen beauftragt und eine schöne Geschichte erhalten. Wie steht es mit den kleinen und mittleren Unternehmen? Auf ihren Webseiten und Broschüren sehen wir gutes Design/Layout in aller Regel sind die Kommunikationsmittel professionell strukturiert, doch eine Geschichte erzählen die wenigsten. Dabei sind es oft die kleinen Geschichten, die grosse Wirkung haben. Für ein gelungenes Storytelling bei Startups beschreibt Harri V. Hietikko im Buch «Was Gründer von Frodo und dem Herrn der Ringe über Marketing lernen können».

Kein Unternehmen ist zu klein, um eine grossartige Geschichte zu haben. 

Die Kernkompetenz für Storytelling liegt in den meisten Fällen bei Spezialisten. Als Obermutten, das kleine Bündner Dorf mit seiner sympathischen Aktion auf der Facebook Seite weltbekannt wurde, glaubten viele an das «Social Media Märchen», dass es das kleine Dorf aus eigener Kraft geschafft hatte. Wie? Indem Sie den Fans versprach, ihr Bild auszudrucken und auf einem öffentlichen Brett anzuschlagen. Eine einfache, und wie sich zeigte, geniale Idee. Als die Kunde die Runde machte, dass Jung Von Matt die Kampagne «A Little Village Goes Global» für Graubünden Ferien inszeniert hatte und das Dorf selbst gar nicht selbst auf die Idee gekommen ist, waren viele enttäuscht.

Nach den veröffentichten Angaben wurde mit einem Budget von CHF 10’000.- eine Medienwirkung von umgerechnet über 2,4 Mio., mehr als 45’000 Facebook Freunde bis heute und gestiegenen Besucherzahlen erwirkt. Sogar ein ein Museum für die Geschenke «Obermutten International Museum of Friendship» ziert das Bündner Dorf. Das sind beachtliche Resultate. Der Facebook Studio Award 2013 ist verdient.

Die Geschichte des kleinen Bündner Dorfes mit 80 Einwohnern, das es zu globaler Berühmtheit brachte, wirkt bis heute weiter …

Welche Geschichten von Unternehmen sind Ihnen in guter Erinnerung geblieben?

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