Joe Pulizzi schreibt in seinem Buch «Epic Content Marketing», die Jyske Bank sei ein Medienunternehmen in einer Bank. Sie betreibe vorbildliches Content Marketing. Ich horchte auf. Ich wusste bereits durch einen Kollegen, dass bei der Jyske Bank Videos und Videokonferenzen zum Alltag gehörten. Nun wollte ich es für die Leserinnen und Leser meines Blogs genauer wissen. Eine knappe Woche später sass ich im Büro von CEO Tim Marschall, der die Geschicke der Jyske Bank in der Schweiz leitet.

Die Jyske Bank ist, wie man dem Namen nach unschwer erkennen kann, keine Schweizer Bank. Magst Du sie kurz vorstellen?

Wir sind in Dänemark die drittgrösste Bank mit «full-scale» Dienstleistungen, haben rund 550’000 Kunden und etwa 3’800 Mitarbeitende – hiervon arbeiten 220 mit internationalem Private Banking für etwa 20.000 Kunden. In der Schweiz sind wir 53 Mitarbeiter mit dem Geschäftsfeld Private Banking und Wealth Management beschäftigt. Wir betreiben jedoch kein Investment Banking. Der Name Jyske stammt von Festland Jütland. Wir sind seit 1972 hier in Zürich.

Was ist denn bei Euch anders als in anderen Banken?

Unsere Kultur. Wir Nordländer behaupten, offener zu sein. Die Schweizer Banken empfinde ich eher langsam, konservativ und gehemmt. Die Art, wie wir mit unseren Stakeholdern umgehen, darunter verstehe ich Aktionäre, Kunden und Mitarbeitende ist anders, ungezwungener. Diese drei Partner müssen in Balance sein. Wir haben auch keine Boni und keinen Dresscode. Und wir sind langfristig orientiert. Als ich bei dieser Bank anfing, fragte ich meinen damaligen Chef, wie denn die Arbeitszeiten seien. Er sagte: «Komm morgen mal um neun und dann bist du fertig, wenn du 67 bist.» Jetzt bin ich 20 Jahre dabei, noch nicht 67, verstehe aber besser, was er sagen wollte.

Wie begründest Dein Urteil über die Schweizer Banken? Etwa mit der letzten Abstimmung?

Nein, dafür bewundere ich die Schweizer, sie übernehmen Verantwortung und das Heft Ihres Landes wieder in die eigene Hand. Ein Beispiel: Seit 2012 haben wir ein Schweizer IT-Kern-System für die Bank und wollen es erneuern, innovative Lösungen vorantreiben. Der Lieferant, der mehrere Schweizer Banken als Kunden hat, macht uns Mühe, denn die anderen Banken sind noch nicht so weit und als kleine Bank müssen wir auf die anderen warten. Angebot und Anwendungen sind derweil auf Seiten der Banken wie Kunden in Dänemark offener und weiter fortgeschritten als in der Schweiz, zum Beispiel was Mobile Banking und Mobile Apps anbelangt. Man investiert in der Schweiz nicht gerne in Zukunftswerkzeug. Innovation wird vernachlässigt. Ich hole meine Inspiration in Dänemark und anderen Europäischen Ländern.

Ist die Jyske Bank auch in Bezug auf die Kommunikation voraus? Pulizzi schreibt die Jyske Bank sei ein Medienunternehmen mit einer Bank. Wie ist das zu verstehen?

Unsere Werte und unsere Botschaften sind für uns sehr zentral, das zeigen wir auch in diesem Video (spielt ihn am Screen über dem Sitzungstisch ab). Unser TV ist eine Spezialität von uns. Um dieses Phänomen zu beschreiben, muss ich etwas ausholen. Im Jahr 2006 machten wir einen grossen Schritt voraus. Unser CEO sagte damals, er sei es satt, von Journalisten missverstanden zu werden. Ab jetzt gebe er seine Berichte im eigenen Fernsehen ab. Deshalb stellten wir ein TV-Team auf und können damit selber fokussierter, kritischer und Zielorientierter kommunizieren.

Ist der TV-Sender denn der verlängerte Arm der Unternehmenskommunikation oder gar der private Sender des CEOs Anders Christian Dam?

Weder noch. Die Journalisten, heute sind es 6 Journalisten, 2 Fotografen und 2 Produzierende, recherchieren und produzieren unabhängig nach eigenem Redaktionsplan. Die Interessen der Kunden stehen im Fokus. Sie erhalten einzig die Themen vorgegeben, die der Bank wichtig sind und dann und wann eine Botschaft des CEOs, doch grundsätzlich agieren die sehr selbstständig. Wie ein Unternehmen im Unternehmen. Sie sind extrem flexibel. So drehten Sie in den ersten Tagen beim Ausbruch der Krise in Griechenland eine Reportage, weil das ein zentrales Thema für die Finanzwelt war. Wir konnten deshalb unsere Kunden mit einem Mail und Link auf den Video sehr schnell informieren. Wissen und das Interesse des Kunden standen im Zentrum und nicht der Verkauf von Produkten und Diensteistungen.

Rentiert ein eigener TV-Sender für eine Bank?

TV ist teuer. Doch wir sind so unabhängig von den klassischen Medien und können so sehr schnell eigene Bewegtbilder kommunizieren. Ausserdem ist uns die Qualität der Beiträge sehr wichtig und die können wir so sicherstellen.

Woraus besteht Eure Content Marketing Strategie?

Uns ist seit vielen Jahren bewusst, dass die Kunden keine seitenlangen Pamphlets lesen wollen. Wir setzen auf kurze, informative Bewegtbildkommunikation. Auch bei den Quartalsberichten. Grundsätzlich setzen wir auf Information und Inhalt in der Geschichte – z.B. einen Bericht über den Immobilienmarkt in Frankreich oder Spanien. 80 Prozent unserer Inhalte liegt auch nicht auf «owned» Kanälen, bzw. eigenen Websites, sondern nur etwa 20 Prozent. Bei allen Inhalten, die wir produzieren, achten wir darauf, dass sie «shareable», also in den Sozialen Medien geteilt werden können. Wir haben Medienpartnerschaften wie beim Mobile Word Congress, dem Cannnes Lions Festival und Skanderborg Musikfestival, von wo wir Reportagen ausstrahlen und auf diese Weise eine sehr breite Reichweite erzielen.

Wie viele Mitarbeitende kümmern sich bei Euch um Social Media?

Zwei Mitarbeitende in Dänemark. Wir haben keine eigene Facebook-Seite für die Schweiz, aber in Dänemark wird ein Facebook-Profil geführt (Havkatten). Wir sind auch nicht auf Twitter oder anderen Social Media. Natürlich habe ich jedoch persönlich ein Xing und auch ein LinkedIn Account.

Wie hört Ihr mit, was der Markt über die Jyske Bank sagt? Welches Monitoring-Tool nutzt ihr dafür?

Eine eingehende Überwachung ist schwierig, aber es werden Screenings von Zeitungen und Medien vorgenommen. Dazu verwenden wir grundsätzlich externe Hilfe, denn wir sind ja lieber Banker als Medienkontrolleure – die Firma heisst Mediawatch.

Könntet Ihr in den Sozialen Medien nicht mehr bewegen? Oder hindern sie wirklich die Regulationen dabei wie manche Banken erklären?

Die Regulationen sind meines Erachtens eine Ausrede der Banken. Ja, da könnten wir schon mehr machen … Alles ist aber auch eine Frage der Ressourcen und dem Nutzen, und wenn wir es machen wollen, dann werden auch Ressourcen für die Aufgabe bereit gestellt.

Wie kommuniziert die Jyske Bank intern?

Unsere Werte stehen bei uns im Zentrum. Wir haben sie deshalb auch nicht auf einer CD, sondern sie hängen in unserem Korridor auf Bildern, die von den Mitarbeitern mit Hilfe eines Malers gemalt wurde während eines Werte-Workshops. Die Werte sind so immer in unserem Blickfeld. Nicht nur bei unserer Kommunikationsstrategie. Jeder Entscheid gründet auf unseren Werten und begründen wir mit diesen, auch Zielkonflikte klären wir mit ihnen.

Auch intern ist für uns die Bewegtbildkommunikation zentral. Alle unsere Sitzungszimmer sind entsprechend mit TV ausgerüstet. Zusammen mit allen Mitarbeitenden schauen wir uns jeweils täglich Marktinformationen an, und 2-3 Mal pro Monat die News unser TV-Station und Videos an, um die neusten Updates auf dem Markt kurz miteinander zu diskutieren. Die Zeitverwendung schwankt, aber damit werden hunderte von Beratern und Mitarbeitern innerhalb wenigen Minuten à jour gehalten.

Ausserdem können uns die Mitarbeiter sagen, was Sie denken und wir setzen es schnell um. Dafür haben wir sogar ein eigenes Tool: «Speak your mind». Kennst du das?

Nein, was ist «Speak your mind»?

Ein bankinternes Tool (er geht an seinen Platz, ruft eine Intranet-Seite auf und zeigt sie auf dem Screen). Das ist es. Hier können die Mitarbeitenden ihre Anliegen posten und das ganze Unternehmen hat frei Zugriff drauf. So können wir hier offen diskutieren. Wer ein Anliegen liest und selbst zuständig ist, kann das Problem sofort lösen oder kommentieren. Eines Tages brachte ein Mitarbeiter die Lohnerhöhung von 10 Prozent von CEO Anders Christian Dam zur Diskussion. Er finde das zu viel. Dam schaltete sich in die Diskussion ein und erklärte, dass sein Lohn nur alle drei Jahre angepasst würde. Inflationsbereinigt hätte er somit 7,8 Prozent zu gut und da die letzten Jahre gut gewirtschaftet hätten, seien es jetzt halt 10 Prozent. Damit war die Lohnerhöhung verstanden, akzeptiert und vom Tisch.  

Eure Medienarbeit mit dem eigenen TV-Station ist eine spannende Sache.
Herzlichen Dank für das unkomplizierte Treffen und das offene Gespräch.

Anmerkung: Zwischen Gespräch und Veröffentlichung des Interviews (2 Wochen) hat die Jyske Bank eine Hypothekenbank in Dänemark übernommen. Damit wächst die Kundenanzahl auf 900.000 und das Umsatzvolumen verdoppelt sich.

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