«In den Unternehmenszielen hat die Kundenzufriedenheit einen sehr hohen Stellenwert», sagt Thomas Besmer, Social Media Manager der CSS Versicherung. Seine Welt besteht aus den Aktionen und Reaktionen in den Sozialen Medien. Er spricht am liebsten von den Daten, die das Unternehmen dank den Interaktionen der Kunden und Interessenten gewinnen kann, um sein seine Arbeit stetig zu optimieren. Beinahe glaubt man, «KPI» sei sein liebstes Kürzel. Warum dies nicht ganz abwegig ist, erfahren Sie in diesem Interview.

Die CSS Versicherung ist mit 1.7 Millionen Kunden, 2’500 Mitarbeitenden und 120 nationalen Agenturen eine der grössten Krankenversicherungen der Schweiz. Seit Mai 2013 betreut Thomas Besmer die Sozialen Medien der CSS Versicherung und bewirtschaftet dieses Feld überlegt, leidenschaftlich und beharrlich. Genau so, wie er selbst Sport treibt. Deshalb wollte ich als erstes von ihm wissen:

Was ist es, das Dich an Sozialen Medien so sehr fasziniert?

Angefangen habe ich aus privatem Interesse bei meinem letzten Arbeitgeber. Da habe ich mich im Bereich Online-Marketing weitergebildet. Ich wollte mehr über den Nutzen der Sozialen Medien für ein Unternehmen erfahren. Da online im Gegensatz zu offline fast alles gemessen werden kann, versuche ich möglichst viel zu messen, um aus den Daten Erkenntnisse für die Optimierung der Marktbearbeitung zu gewinnen. Mich faszinieren die Möglichkeiten, unsere Anstrengungen zu messen und Erfolge sichtbar zu machen. Im Mai 2010 wechselte ich zur CSS Versicherung als Online Marketing Manager und habe so mein Hobby zum Beruf gemacht. In den letzten drei Jahren beschäftigte ich mich immer mehr mit den Chancen der Sozialen Medien und erarbeitete eine Social Media Strategie für die CSS. Im Mai 2013 war es dann endlich soweit – die Facebook Seite ging online. Seit dem Anfang dieses Jahres bin ich nun Social Media Manager und kann mich zu 100 Prozent auf Social Media konzentrieren. Ich sehe mich als Pionier, weil ich in neuen Gebieten tätig bin. Ich stelle Neues auf die Beine, das noch niemand so herausgefunden und zusammengestellt hat.

Welches sind die Ziele der CSS Versicherung in den Sozialen Medien?

Unser höchstes Ziel ist die Kundenzufriedenheit. Ich kenne kein anderes Unternehmen, das dieses so alleine an der Spitze hinstellt so wie wir. Bei den Sozialen Medien wollen wir wissen, wie und womit wir neue Kanäle erschliessen können, um mehr Reichweite zu erzielen. Zudem muss dies kostengünstig erfolgen, da wir ja jeden Aufwand auch vor den Kunden wie unseren Stakeholdern rechtfertigen müssen. Ausserdem wollen wir herausfinden, wie wir die Sozialen Medien für uns als Versicherung einsetzen können. In den Unternehmenszielen ist die Kundenzufriedenheit ein massgebendes Ziel. Die Kundenzufriedenheit wird aber von vielen Faktoren beeinflusst, deshalb ist ein Ziel, die Kundenanfragen in den Sozialen Medien möglichst zur Zufriedenheit der Kunden zu beantworten. Neben der Kundenzufriedenheit ist die Antwortzeit auf Facebook und Twitter ein weiteres Ziel. Die Anzahl Fans und Follower sind dagegen keine Ziele. Dank der Reichweite auf unseren Kanälen haben wir die Möglichkeit, kostengünstig und schnell mit unseren Kunden und interessierten Personen zu kommunizieren und zusätzlichen Traffic auf der Website zu generieren.

Wie geht Ihr vor, um mehr Reichweite zu erzielen?

Wir haben eine Strategie erarbeitet, die in drei Teile gegliedert ist. Ich nenne sie Dimensionen. Für mich besteht Social Media aus drei Dimensionen. Die einfachste Dimension ist das Social Media Marketing. Das bedeutet, Facebook Seite einrichten, Inhalte und Angebote publizieren und auf Likes, Comments und Shares hoffen. Diese Dimension kann ohne grosses Wissen ausgeführt werden. Die zweite Dimension ist die Social Media Kultur. Sie wird generell unterschätzt. Auf der kulturellen Ebene zeigt sich, wie fit ein Unternehmen für Social Media ist. Es geht darum, Social Media als ebenbürtigen Kommunikationskanal neben Telefon, Brief und Email zu etablieren. Das ist die grösste Herausforderung. Die Kultur ist grösstenteils von internen Faktoren abhängig. Und die dritte Dimension ist Social Media Relation. Da geht es darum, mit den Fans/Follower, Kunden, Medienschaffenden usw. eine Beziehung aufzubauen. Wenn ein Unternehmen eine Fanpage hat und Nachrichten postet und kommentiert, heisst das noch nicht, dass es social-media-fit ist.

Wann ist ein Unternehmen Deiner Meinung nach social-media-fit?

Wenn ein Kunde von 1,7 Mio. Kunden einen Kommentar über eine Verbesserung schreibt, ist das zwar nicht repräsentativ, trotzdem muss dieses Feedback ernsthaft geprüft werden. Ein Feedback sollte zumindest überprüft und nicht unter den Tisch gekehrt werden. In Umfragen aus Tests zeigt sich immer wieder, dass Unternehmen fünf Tage nichts von sich hören lassen. Bei uns gelten zwei Tage für einfache und fünf Tage für komplexe Anfragen als Normwert. Da gab es mal einen Kommentar, ein Kunde hätte vor 6 Stunden eine Anfrage gestellt und bis jetzt noch keine Antwort erhalten. Wir schrieben ihm, wie unsere Servicelevel gestaltet sind. Darauf antwortete er, dass die Antwortzeit zu lange sei. Ich gab das Feedback ans Prozessmanagement weiter um zu prüfen, ob eine Optimierung unserer Servicelevel machbar sei.

Social Media hat innerhalb der CSS Versicherung zwar bereits einen guten Stellenwert. Jedoch gibt es immer wieder Widerstände die mit Beispielen abgebaut werden müssen. Social Media hat noch nicht den Stellenwert, den es verdient. So lange Kadermitarbeiter eines Unternehmens sagen «das ist nur etwas für Junge», so lange ist im Unternehmen Social Media noch nicht angekommen. Wenn das Kader nicht hinter diesen neuen Medien steht, dann werden auch keine Massnahmen ergriffen oder konsequent durchgezogen.

Kultur und Integrierte Kommunikation sind wichtige Themen. Wie packt Ihr die Kultur an?

Das ist wohl der längste Prozess, den wir vorhaben. In meinen Tätigkeiten habe ich immer wieder beobachtet, dass es 5 bis 6 Jahre dauert, bis kulturelle Prozesse umgesetzt sind. Innerhalb des Unternehmens missioniere ich in den relevanten Abteilungen, biete Beratungsleistungen rund um Social Media, versende monatlich einen Social Media Newsletter mit Beispielen aus dem Web und Fachbeiträgen rund um diverse Themen. Ziel ist für mich, dass sie den Nutzen der neuen Medien zumindest erkennen. Sie sollen sehen, dass wir damit Opportunitäten erkennen können. Steter Tropfen höhlt den Stein.

Der Vorwurf, weshalb die Sozialen Medien nicht ernst genommen werden, ist ja, dass sie keinen Beitrag zum ROI erzielen. Rentieren die Aktivitäten in den Sozialen Medien für die CSS Versicherung?

Ja, die Aktivitäten rentieren. Einen ROI können wir jedoch noch nicht errechnen. Jedoch haben wir weitere aussagekräftige Werte, welche den Beitrag von Social Media rechtfertigen. Neben den üblichen Schwierigkeiten den ROI im Social Media zu errechnen, kommt bei uns erschwerend dazu, dass wir kein Produkt für einen Betrag x verkaufen wie beispielsweise einen Online-Shop. Bei uns gibt es weitere Faktoren wie Leistungsbezüge der Kunden und den Risikoausgleich, die die Berechnung eines ROIs für Soziale Medien erschweren.

Gibt es Unternehmen, von deren ROI-Berechnung Du Dir eine Scheibe abschneiden kannst?

In der Schweiz gibt es wenige Unternehmen, die schon so weit sind wie wir. Die meisten machen Social Media der ersten Dimension, das heisst, ohne Berücksichtigung der restlichen Kultur der Unternehmung. Da kann ich wenig abschauen. Es gibt aber sehr viele und gute Beispiele im Ausland. So profitierte ich an der Teradata Partners Konferenz in Washington Ende 2012 extrem viel. Dort konnte ich im Austausch mit dem Social Media Team von Microsoft und auch dem Social Media Manager der grössten indischen Bank, der State Bank of India, enorm profitieren. Auch die DMEXCO in Köln bietet jeweils gute Einblicke in führende Unternehmen in Social Media.

Privat habe ich Ende 2013 mit dem Schreiben eines Buches über KPI’s in sozialen Medien begonnen. Zwischenzeitlich hat sich die Buchidee in eine Webplattform gewandelt. Die Plattform wird gegen Ende April online gestellt.

Wie handhabt die Direktion die Sozialen Medien?

Unsere Konzernleitung ist noch eher verhalten mit Social Medien. Im Social Media Report erhält jedes KL-Mitglied eine Note, abhängig von der Nutzung der Sozialen Medien. Mit diesem Notensystem werden die KL-Mitglieder motiviert, die Note gegenüber dem Vormonat und den Kollegen, zu verbessern.

Erstaunlich. Diese Auswertung zu erstellen, wurde gutgeheissen?

Wenn ich alles absegnen lassen würde, hätten wir wohl noch kein Profilbild auf Facebook (lacht). Das ist jetzt übertrieben. Die Auswertung habe ich von mir aus erstellt und intern versendet. Da Social Media noch sehr „neu“ ist, wissen nur wenige, was man neben der Anzahl Fans und Follower noch alles messen kann. Mit diesem Report, oder auch anderen internen Reports zeige ich den Nutzen von Social Media auf. Zum Notensystem ist anzumerken, dass dies keine Leistungsbeurteilung ist. Es zeigt lediglich auf, wo noch Optimierungspotential besteht.

Welche Monitoring und welche Management Tools nutzt Du bei Deiner Arbeit?

Fürs Monitoring nutzen wir Brandwatch und sind damit sehr zufrieden. Das Tool bietet sehr viele Funktionen und Möglichkeiten. Es ist bei einer gewissen Affinität zu Online-Tools einfach zu bedienen und deckt viele Quellen ab. Zudem kann man Brandwatch auch sehr sauber in Hootsuite integrieren. Wir haben so die Möglichkeit, neben dem Monitoring auch gleich mit den Nutzern direkt zu interagieren. Neben mir und meinem Stellvertreter nutzen noch fünf Mitarbeitende aus Corporate Communication Hootsuite. Die Gesundheitspolitik hat zudem einen eigenen Twitter-Account, der ebenfalls über Hootsuite verwaltet wird.

Welche Plattformen bespielt Ihr hauptsächlich?

Wir sind auf Facebook, Twitter und Google+ sowie auf Youtube. Vor kurzem habe ich eine komplette Video-Ausrüstung mit einem kabellosen Kopfmikrofon erhalten. Damit habe ich schon Interviews zum Thema für/gegen die Einheitskasse gemacht. Weiterer Video-Content ist geplant.

Habt Ihr vor dem Krankenkassenwechsel einen starken Anstieg an Interaktionen?

Die Interaktion mit den Fans auf Facebook wie auch Twitter ist durch das Jahr ungefähr gleich. Es ist aber schon so, dass im Herbst die Produktanfragen leicht ansteigen. Rund 0.6 Prozent aller Fans schreiben Kommentare – das ist ein guter Branchenschnitt. Bei der Reaktionszeit geben wir auf Facebook durchschnittlich innert 2.6 Stunden Antwort. Der Branchenschnitt liegt bei 14 Stunden.

Was hältst Du von der Forderung, Social Media Manager müssten sich 7 Tage die Woche während 24 Stunden engagieren?

Mir macht es nichts aus, abends um 23 Uhr noch einen Tweet abzusetzen, um zu antworten oder zu schreiben, dass die Antwort erst morgen um 8 Uhr kommt. Ich betreue ja auch meine privaten Accounts, so spielt es mir keine Rolle, auf welchem Account ich antworte. Dafür habe ich auch kein schlechtes Gewissen, wenn ich bei schönstem Wetter über den Mittag länger oder abends mal früher meinen sportlichen Aktivitäten nachgehe.

Herzlichen Dank für Deine spannenden Ausführungen. Ich wünsche dir beruflich wie privat und sportlich weiterhin viel Erfolg!

 

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