Die re:publica XI ist zu Ende. Vom 13.-15. April weilte ich in Berlin, um an der 5. Social Media Konferenz Gleichgesinnte zu treffen und an Referaten und Workshops über Blogs, soziale Medien und der Umgang mit ihnen in Politik und Gesellschaft beizuwohnen. Tatsächlich wohnte ich unweit des Friedrichstadtpalasts, wo mir im Hotel das funktionierende WLAN das Wichtigste war – im Wissen, dass dies an Konferenzen eine Knacknuss sein kann. Welches waren denn nun die Highlights der „aufregendsten Konferenzen in Europa“ , wie sich die Republica nennt?

Die Liste meiner persönlichen Highlights wäre eine lange, doch für die Lesenden dieser Zeilen wenig ergiebig. Was mich an dieser Konferenz bereicherte, war der „Real-Life“ Kontakt mit Gleichgesinnten, die zu Hause auf meinem Bildschirm nur in digitalen Profilbildformaten vor meinen Augen vorüberziehen. Es war herrlich zu sehen, wie sich diese mit Leben füllten. Reale Treffen unter digital Tätigen ist die Grundidee der re:publica und diesen Wunsch erfüllt sie ihren rund 3000 Besuchenden nach wie vor. Inhaltliche Highlights waren unter den Referaten und Workshop meines Erachtens nicht einfach aufzuspüren. Am Ende dieses Artikels empfehle ich die zwei bemerkenswertesten Reden (Youtube Videos) – zum Sehen, Hören und Weiterdenken.
Positionierung der re:publica

Kann die Ausrichtung der re:publica ein Grund dafür sein, dass sie mich inhaltlich nicht zu begeistern vermochte? Sie positioniert sich als politische, kulturelle Konferenz und deren Themenspektrum reicht von Kunst, Medien und Kultur über Politik und Technik bis hin zum Entertainment. Die Wirtschaft lässt sie (noch) links liegen. Wer auf deren Website unter Sessions „Business“ sucht, erhält bloss fünf Beiträge zur Auswahl. Die Spannungen zwischen der Online Welt, der Wirtschaft und der Gesellschaft und Politik nehmen aufgrund deren unterschiedlicher Entwicklungsgeschwindigkeit zu. Mir scheint, in vielen Referaten fehlte etwas dieser Spannung. Ab und zu breiteten sich gelangweilte Gesichter aus. Viele der Zuhörenden sitzen täglich in diesen Spannungsfeldern und müssen Lösungen finden. Diese Tatsache ergab ein in den Sessions – oft nicht überbrücktes – Spannungsfeld der Erwartungen. Jedenfalls war dies bei mir so.

Referate und ähnliche Erlebnisse

Manche Fachreferate vermochten das Publikum – sogar unter trockenen Überschriften zu begeistern. Ich denke dabei an Till Kreutzer der den Zuhörenden mit seinem Referat „Geistiges Eigentum vs. Kreativität 2.0“ glaubwürdig und verständlich erklären konnte, wo die Probleme der Online-Community mit dem Urheberrecht liegen und wo die politische Diskussion zur Zeit steht.  So folgerte ich schlussendlich, dass fehlendes positives Feeddback (zum Beispiel auf Twitter) an der Schwierigkeit mancher Referierenden liegen musste, den Zuhörnden ihre Botschaften näher zu bringen und nicht am Themenspektrum der Republica.

Sozialpolitisches wurde vieles in aller Breite angekratzt, wenig liess mich aufhorchen. Ziel des Workshops „Was ist morgen öffentlich, was privat?“ war es, Wege für zukunftsfähige und möglichst allgemeingültige Grundprinzipien zu suchen. Die Vortragenden starteten mit der Begriffsdefinition für Information im technischen Sinne. Eine dieser umfassenden Fragen zu stellen und sich dieser zu widmen, hätte in diesem Fall gereicht. Es waren deren zehn. Sie wurden vorgelesen, durch ein paar Bemerkungen zum Vorgehen und Erklärungen wie die Frage gemeint sei, unterbrochen, dann war die Zeit um.

In einigen Sessions enttäuschten mich die Redner. Sie schienen der Auffassung zu sein schienen, das Reden gewohnt zu sein – oder es komme – frei von der Leber schon gut  und … ähm … vielleicht sagt ja auch noch jemand aus dem Publikum etwas, schliesslich ist dies ein Workshop. Oder wie jene Komödianten, ich meine jene, die in der Quatsch Comedy Club auftraten und über Creating  …ähm Meaningful … ähm Experiences …ähm sprechen wollten. Der zweite Redner …ähm machte …ähm weiter …ähm wie der erste ähm. Weiter kamen meine Ohren beim besten Willen nicht. Ein paar Ähms sind sie sich ja gewohnt, doch das waren ihnen zu viele. Sie verabschiedeten sich.

Dass fünf Personen sind zu viele Spontan-Vortragende für 45 Minuten sind, auch wenn zwei davon verspätet eintreffen, hat hoffentlich das initiative Team gemerkt, das ein Impulsreferat über Social Media Measurement halten wollte. Ich mag mich an die Aussage erinnern: „Wir wollen mit anderen Methoden als die klassischen Medien messen.“ Doch kamen die Redner nicht darüber hinaus zu erklären, was Social Media Measurement nicht sein wollte. Zwischendurch wurden zwei Fragen aus dem Publikum gestellt, im Sinne von: „Und wie messt Ihr denn?“ Doch die geplante Diskussion im Anschluss an das Referat kam nicht zustande. Die Zuhörer liefen vor dem offiziellen Ende aus dem Saal.

Ein Palast, ein Club und eine Scheune

Die Lokalitäten im Herzen Berlin beurteile ich als attraktiv. Ich bedaure, dass sie aufgrund der starken Nachfrage für diesen Anlass bereits aus allen Nähten platzen. Sehr positiv empfand ich, dass die Registrierung beim Eintritt flott ablief. Kein stundenlanges Anstehen, wie von den letztjährigen Teilnehmenden angekündigt, mussten wir erfahren. Der Friedrichstadtpalast gewährte gediegene – und in der Regel hatte es genügend davon – freie Plätze zum Sitzen. Der Palast bot viele Standorte, um sich spontan oder geplant zu treffen. Der Espresso-Lieferwagen vor dem Palast versorgte mich mit dem nötigen Koffein und verschonte mich vor einer weiteren Tasse des im Palast und in der Kalkscheune erhältlichen Filterkaffees. Auch das Ambiente des Quatsch Comedy Club mit seinen samtroten Sesseln gefiel mir sehr. Die Kalkscheune hingegen war zu klein für den Ansturm. Sie war neben den Ansprüchen an ein ständig funktionierendes WLAN bestimmt der grösste Anlass für Optimierungsvorschläge an die Veranstalter, die den Anlass meines Erachtens insgesamt gut gemeistert haben.

Ein herzliches Dankeschön an all die sichtbaren und unsichtbaren hundert Hände, die die Republica zum Erlebnis machten.

Inhaltliche Highlights

Im Norden gab es nichts Neues zu erfahren, lautet mein Fazit der re:publica 2011. Gar nichts? Es sind zwei Rosinen, die ich weiterempfehlen kann. Der Vordenker Gunter Dueck regt mit seinen Überlegungen zum Thema „Internet als Gesellschaftsbetriebssystem“, zum Nachdenken an. An dieser Veranstaltung der Sehende unter Blinden zu sein, mag einfach scheinen, doch das ist es nicht: Die Referenten standen vor sehr gut informierten Zuhörern. Was konnte man ihnen denn bieten? Überlegenswertes und Unterhaltsames. Die zweite „Rosine“: Sascha Lobo garantierte für rhetorisch geschickte Unterhaltung. Er startete gleich mit einer Publikumsbeschimpfung.

Seht und hört selbst:

Überlegenswert: „Das Internet als Gesellschaftsbetriebssystem“

 

 

Unterhaltsam: „Die Trollforschung