Wie viele Stellenprozente für Social Media in einem Unternehmen nötig sind, kann man nicht pauschal beantworten. Caspar Loesche ist Social Media Manager und Mediensprecher des Regionalverkehr Bern-Soloturn (RBS), der rund 400 Mitarbeitende beschäftigt. Er zeigt auf, dass die Sozialen Medien, wenn sie mit mehr als 5 Stellenprozenten dotiert sind, für öffentliche Verkehrsbetriebe mehr leisten können. Mehr ist mehr. 

Welches sind die Ziele der RBS mit den Sozialen Medien?

Bei meiner Umfrage im letzten Jahr habe ich festgestellt, dass es im RBS viele Themen und Geschichten gibt, die wir gerne teilen würden, für die aber eine Medienmitteilung nicht das richtige Gefäss ist. Von den Medien werden die auch vielfach nicht aufgenommen. Deshalb war für uns klar, dass ein Blog im Zentrum unserer Social Media Aktivitäten stehen soll. Mit dem Auftritt wollen wir etwas persönlicher daherkommen. Den Kunden wollen wir weitere Kanäle zur Kontaktaufnahme bieten und vor allem auch Einblicke in unsere Welt geben.

Caspar, wie bist Du das Ganze angegangen?

In der ersten Phase ging es mir darum, eine Grundreichweite aufzubauen, den Kundendienst via Soziale Medien zu etablieren und einen positiven Start hinzulegen. Gestartet sind wir am 18. August 2014. Bis Ende Jahr wollten wir die Kanäle intern und extern etabliert haben. Das ist gelungen. Seit Anfang 2015 geht es mir darum, dafür zu sorgen, die bestehende Leserschaft auf dem Blog zu halten und intern mehr Mitarbeitende als Autoren für Blogposts zu gewinnen.

Kundendienst gab es ja immer schon. Wollt Ihr den jetzt gänzlich auf die Sozialen Medien verlagern? 😉 

Nein, die Erfahrung lehrt uns, dass durch die neuen Medien Anfragen hereinkommen, die bis anhin nicht bis zu uns kamen. Das heisst, durch die neuen Medien erhalten wir mehr Anfragen. Ich glaube nicht, dass wir die Anzahl Anfragen an den Kundenservice verringern. Was wir mit den Sozialen Medien unterstützen, ist die Bereitstellung von Informationen und Hintergrundwissen. So können Kunden leichter Antworten finden und unser Kundendienst kann in seinen Antworten auf unsere Blogposts verweisen. Win-Win: Weniger Aufwand für den Kundenservice, die Kunden können öffentlich kommentieren und wir haben relevante Leser auf unserem Blog (strahlt). Jährlich haben wir übrigens ca. 1000 Anfragen. Das ist bei 24 Mio. Fahrgästen noch wenig. Im ersten Quartal kamen ca. 100 Anfragen über Facebook und Twitter hinzu. Davon waren übrigens fast 90 Prozent von Twitter.

Wie viele Stellenprozente steht dem RBS für Social Media zur Verfügung?

Bei uns machen fast alle alles: Medien, Social Media, Print, Baustellen-Kommunikation und so weiter. Das teilen wir uns auf vier Teilzeitstellen auf. Ich bin seit etwa einem Jahr mit da. Anfangs nahm Social Media bei mir fast die ganzen 80 Prozent, mittlerweile durchschnittlich 50 Prozent ein. Ich denke, der Aufwand für Social Media wird sich, über das ganze Team gesehen, bei diesen 50 Prozent einpendeln.

Wichtig ist mir momentan, viel integrierter zu arbeiten. Und das nicht nur für PR, sondern auch mit dem Marketing zusammen. Das macht es sehr schwierig, genaue Prozente zu beziffern und langfristig ist es auch völlig egal. Ich nehme ein Beispiel aus der Baustellenkommunikation: Wir streuen diese Infos mittlerweile über ca. zwölf verschiedene Gefässe. Da ist Social Media natürlich nur ein kleiner Teil. Beim Blog sieht es so aus, dass es viel Aufwand ist, jede Woche einen Post zu schreiben. Aus den „internen Recherchen“ kann aber auch eine Story für die Medien oder etwas Anderes entstehen.

Hätten 5 Stellenprozente gereicht? 

Sicher nicht. Wir haben Konkurrenz, zum Beispiel das Auto. Deswegen wollen wir nachhaltig einen guten Kundenservice bieten. Wir wollen wissen, wie wir unseren Service laufend verbessern und den Kunden anpassen können. Wenn wir irgendwann mal ein Ja in einer Abstimmung brauchen, um unser Angebot zu erweitern, wollen wir unseren Job gut gemacht haben. Dazu ist nicht nur PR und Kundendienst, sondern auch nachhaltiges Denken im Beziehungsaufbau nötig. Man muss investieren. Auch in Sozialen Medien. Nur dann bekommt man auch etwas zurück.

Wann habt Ihr einen guten Job gemacht? 

Wenn wir Mehrwert erzielen können. Ein Beispiel für einen ganz konkreten Mehrwert: Einige unserer Bus-Bildschirme waren eingefroren. Für unsere Techniker war es schwierig, das Problem einzugrenzen, da jeder Bildschirm erst im Depot einzeln ausgelesen hätte werden müsse. Bei ca. hundert Bussen ein Ding der Unmöglichkeit. Mit Hilfe unserer Fahrgäste konnten wir in kurzer Zeit mehrere Busse mit dem Problem eingrenzen und überprüfen. Problem gelöst!

Bezogen auf die Öffentlichkeitsarbeit: Wenn unsere Themen bei unseren Kunden ankommen. Früher mussten wir dafür Medienmitteilungen schreiben, heute lohnt es sich nicht immer, eine Medienmitteilung zu schreiben, weil von uns nicht einfach jede Mitteilung abgedruckt wird. Lustigerweise hat sich das Blatt aber gewendet. Die Medien interessieren sich mehr für uns, wenn wir aktiv sind. Manchmal meldet sich ein Journalist aufgrund eines Tweets und will mehr darüber wissen, um darüber zu schreiben. Wie zum Beispiel in diesem Fall:

An welchen Messkriterien orientierst Du Dich?

Ich schaue viele Messgrössen an. Mich interessierten die Anzahl Followers und Fans für die Reichweite besonders in der ersten Phase. Ich schaue mir das Engagement und die Interaktionsrate an. Natürlich auch, wie viele Leute ich auf den Blog gebracht habe (unique visitors), deren Verweildauer und Absprungrate im Vergleich zur Website und wie viel ich und wie viel andere Mitarbeitende antworten. Es ist ja die Idee, dass nicht nur ich schreibe, sondern alle sich beteiligen und ich sie dabei unterstütze. Wir wollen persönlicher, nahbarer werden. Für die Auswertung nutze ich ein Spreadsheet aus Facebook und Twitter Statistiken, das sich automatisch aktualisiert und auf dem ich auch Trends erkenne.

Wie integrierst Du die Sozialen Medien intern?

Am Anfang war ich viel unterwegs. Ich bin in die verschiedenen Teams rein. Wir haben bei uns ja Gleisbauer, Werkstätten, Busfahrer, Lokführer. Zuerst hab ich eine grosse Tour gemacht und dabei die Entscheider, Kader und die Mitarbeitenden und ihre Bedürfnisse betreffend der Sozialen Medien abgeholt. Ausführlich. Jetzt mache ich das nur noch punktuell. Wenn wir zum Beispiel verstärkt Anfragen wegen der Busfahrten auf Twitter haben, gehe ich zu den Busfahrern und kläre ab, wie wir jetzt und in Zukunft am besten vorgehen und reagieren.

Was empfiehlst Du sonst noch zu tun, damit die neuen Medien intern akzeptiert werden?

Wir haben zum Beispiel ein Video für die S-Bahn in Bern gemacht. Das habe ich auf Facebook gepuscht. Nun erzähle ich von den positiven Resultaten, um die Möglichkeiten mit diesen Medien zu zeigen. Eine grosse Unterstützung war für uns aber vor allem unser Projekt für die neue S7.

Was war das für ein Projekt?

Wir haben unsere Fahrgäste gefragt, wie sie sich die 16 neuen Züge vorstellen, die wir anschaffen wollen. Crowdsourcing Atizio hat uns dabei unterstützt. Wir konnten die Fahrgäste damit von Anfang an einbeziehen. Natürlich hat es auch geholfen, die Soziale Medien und den Dialog mit den Fahrgästen intern zu verankern. Wir sind in den letzten Zügen, das heisst, in 2-3 Wochen sollten wir die Auswertungen haben. Ein kleiner Vorgeschmack war letztens bereits in der NZZaS.

Die Bahnfans ist ja ganz eine speziell engagierte Fangruppe, habe ich gehört. Wie erlebst Du ihr Engagement?

Bei Facebook gab es bereits einige RBS-Fangruppen als ich anfing. Sie haben sich selbst sehr gut organisiert. Sie hatten sogar überlegt, ob sie ihre Gruppe schliessen sollten, wenn wir eine offizielle Fanpage erstellten, aber das haben sie glücklicherweise nicht getan. Ich bin dort Mitglied, sie können mir direkt Fragen stellen und ich kann auch Inhalte platzieren. Bei Atizo waren sie die ersten, die den Link bekommen haben. Das funktioniert super. Ich halte mich dort aber meistens zurück. Die Engagement-Rate beinhaltet deshalb das Engagement unserer grössten Fans in ihrer eigenen Gruppe nicht.

Wir wissen heute, genau, welches Transportunternehmen wie online reagiert. Wie geht Ihr mit der Transparenz um?

Wir haben heute nicht mehr nur die Medien, die auf uns auf die Finger schauen, sondern auch vermehrt die Öffentlichkeit. Das schätzt mein Chef, Fabian Schmid. Ihm ist es wichtig zu wissen, ob wir unsere Arbeit gut machen und ob wir alle Versprechungen, die wir machen auch einhalten, lies mal den Blogpost vom 2. Januar.

Du strahlst, wenn du von deiner Arbeit erzählst. Was gefällt Dir an Deiner Arbeit so gut?

Die Sozialen Medien intern aufzubauen und sie komplett zu integrieren. Ausserdem liebe ich die Arbeit in einem kleinen engagierten Team. Das ist cool, denn so kann sich jeder darauf spezialisieren, was er am besten macht, aber wir können sehr flexibel crossmedial arbeiten. Die Grösse des Unternehmens macht es leicht, spannende Projekte umzusetzen. Ausserdem kann ich beim RBS Familie und Beruf vereinbaren. Und das ist für mich die allerwichtigste Messgrösse.

Ich bin beeindruckt und wünsche dir weiterhin viel Spass bei der Arbeit und Dir wie dem RBS viel Erfolg.

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