Wie nutzen Unternehmen Social Media heute? Gestern präsentierten Bernet PR und die ZHAW den Mitgliedern der Zürcher Public Relations Gesellschaftdie erforschte Lage bei rund 900 Unternehmen der Schweiz. Im Vergleich zum letzten Jahr blieb Beteiligung in den Sozialen Medien stabil. Positiv zu vermerken ist, dass diese nun in der Marketingkommunikation heute besser integriert sind. Überrascht hat das Resultat, dass Blogs heute weniger oft eingesetzt werden (Rang 10) als noch vor einem Jahr (Rang 5). Die Studie wird seit acht Jahren durchgeführt und zeigt deshalb nicht nur aktuelle Zahlen, sondern auch Trends auf.
Zu den Resultaten der Studie
Wie bereits im letzten Jahr engagieren sich zwei Drittel der befragten 655 Unternehmen auf Social Media, je grösser das Unternehmen desto eher. Insgesamt sind rund 90 Prozent gegenüber 59% Kleinstunternehmen aktiv. Interessanterweise haben die Behörden gegenüber dem Vorjahr am meisten (+25%) zugelegt: Von ihnen machen bereits 89% mit. Von den nicht-teilnehmenden Unternehmen vermuten gut 40% , dass bei den Empfängern zu wenig Interesse für Social Media bestehe, von den aktiven Teilnehmern der Befragung glauben dies nur ein Viertel.
1. Crossmediale Integration
Erfreulich ist die hohe Integration der Social Media in der Marketingkommunikation. 65% integrieren sie in bestehende Prozesse. Ein Viertel schliesst auch HR und Kundendienst mit ein, Vertrieb und Customer Relationship-Management (CRM) hinken mit 10% hinterher.
2. Rangliste der Netzwerke
Überrascht hat das Resultat, dass die Blogs in der Rangliste der eingesetzten Medien in Unternehmen markant abgefallen ist, von Rang 5 auf Rang 10. Spitzenreiter ist Facebook. Diese mächtigste aller Plattformen berücksichtigen alle der Unternehmen, ob gross oder klein, B2B oder B2C. (Quelle Grafik: © bernet.ch/studien – 09)
3. Ziele und deren Messung
82% der Unternehmen wollen mit Social Media vor allem den externen Dialog fördern, 71% Produktinformationen abgeben, 65 % ihr Image pflegen und 55% den Trend nicht verschlafen. Gemessen wird der Erfolg von drei Vierteln der Befragten. Zu 42% werden dafür Gratis-Monitoring-Tools verwendet. Am meisten erfasst werden für die Erfolgskontrolle die Besuche der eigenen Website (72%), Likes und Followers sowie das Engagement. Die Zufriedenheit wird nur bei 21 % und das Image bei 11% der befragten Unternehmen überprüft.
4. Strategie
Erstaunt hat mich, dass sich immer noch 45% der Unternehmen (20% der Grossunternehmen) ohne Strategie in der Welt der Sozialen Medien bewegen. Von den 55%, welche strategisch vorgehen, haben immerhin 32 Prozent eine unternehmensübergreifende und 23 Prozent eine abteilungsübergreifende Strategie. (Quelle Grafik: © bernet.ch/studien – 05)
5. Der vermisste Nutzen gegenüber zu viel Aufwand
Der Aufwand wird von 49% (im Vergleich zu 54 % zum Vorjahr) als grösser eingestuft als der Nutzen von Social Media. Nur 6 % (im Gegensatz zu 9 % im Vorjahr) beurteilen den Nutzen höher als den Aufwand.
Zwischenbemerkung: Bei diesen Aussagen zu Strategie, Zielen, Messung und Nutzen frage ich mich, ob die Ziele konkret gesteckt und adäquat gemessen werden, um deren Erreichung bzw. den Erfolg sachgerecht beurteilen zu können. Der Aufwand für Social Media wird in der Regel unterschätzt. Er wird von den Unternehmen mit 58% der Nennungen als zu gross beurteilt, was 15% mehr sind wie letztes Jahr.
Eine weitere Meinung dazu:
@oliverlutz1die Leute machen sich zu wenig Gedanken, was Erfolg ist, wenn sie nur auf leicht messbare Zahlen schauen… #smch13 #blogs
— Peter Metzinger (@campaigning) 18. April 2013
6. Aufwand in Stellenprozenten
Die Umfrage ergab, dass der geschätzte Aufwand in den Unternehmen Social Media bei 62 Stellenprozenten liegt. Sie werden vorwiegend für das Erstellen und Verwalten von Inhalten (41%) und den Aufbau und die Pflege von Kontakten und Dialog (27%) eingesetzt. Dieser unterscheidet sich bei Grossunternehmen, welche 120 Stellenprozente investieren, im Gegensatz zu 40 Prozent bei Kleinunternehmen.
Der WWF bestätigte diesen Erfahrungswert, wie der Tweet deren Mitglied der Geschäftsleitung Fredi Lüthin belegt:
Stimmt auch für @wwf_schweiz. RT @philippmetzler Social Media-Präsenz beansprucht im Schnitt 65%-Stelle für Unternehmen, im Minimum. #smch13
— Fredi Lüthin (@luethin) 18. April 2013
7. Trend
In den nächsten zwei Jahren erwarten 60% eine weiterhin wachsende Bedeutung von Social Media, eine Strategie über alle Bereiche (56%), die Integration in bestehende Funktionen (55%) sowie eine erhöhte Bedeutung fürs Personalmarketing. Diese Aussagen entsprechen − mit geringfügigen Abweichungen − jenen des letzten Jahres.
Beurteilung der Studienresultate
Unternehmen integrieren Social Media zunehmend in ihren Alltag, teils mit, teils ohne Strategie. Dass die Integration in der Marketingkommunikation gut vorangeschritten ist, ist erfreulich. Alles andere wäre bedenklich. Die Gründe dafür, dass die Behörden zugelegt haben, vermute ich im Bewusstsein, dass sie Bürger durch Social Media – insbesondere im Ernstfall – schneller als durch ihre bestehende Kommunikation erreichen können. Das ist meines Erachtens einer der grossen Vorteil des Microblog-Dienstes Twitter, der von den Behörden stärker als von Unternehmen gewählt wird.
Obwohl der Einsatz der Sozialen Medien jedes Jahr sichtlich professioneller genutzt wird, orte ich noch Schwächen beim strategischen und zielgerichteten Einsatz. Das Fokussieren gelingt den Unternehmen scheinbar bei der Wahl der Kanäle, indem sie sich auf den Spitzenreiter Facbook konzentrieren. Fraglich ist, ob dies eine bewusster Entscheid oder eine Auswirkung des Ziels «Wir wollen den Trend nicht verpassen» ist. Ich gewahre immer wieder Unternehmen, die − weil Facebook Trend ist −, auf diesen Zug zu steigen, ohne Abklärung mit welchem Medien- und welchem Content-Mix über die gesamte Kommunikation hinweg, sie ihre Stakeholder am besten erreichen. Social Media ist nicht nur Facebook. Deshalb ist der Aufwand auch nicht gut auf 25 Stellenprozente für ein Facebook-Konto reduzierbar. Mich wundert nicht, dass so mehr Ernüchterung als Nutzen übrig bleibt. Die Resultate entsprechend den gesteckten Zielen messbar zu machen und ein effizientes crossmediales Content Management zu betreiben, bleiben stetige Herausforderungen. Der Aufwand mag auch der Grund sein, weshalb sich das Gros der Unternehmen sich in den Sozialen Medien bisher nicht an Blogs heranwagten. Bloggen ist aufwändig. Für Praktiker, wie Oliver Lutz von VeloPlus, der mit einem Referat nach der Studie Social Media in der Praxis vorstellte, ist das Blog jedoch eines der wichtigsten Online-Dialogformen, unter anderem weil Blogs im Gegensatz zu anderen Plattformen stärker selbst gestaltbar und in der eigenen Hand sind.
Die Bernet ZHAW Social Media Studie ist aufgrund ihrer wiederkehrenden Ermittlung eine interessante, lesenswerte Studie und für den Schweizer Markt eine der relevantesten. Die Präsentation fand im aussichtsreichen Swisscom-Gebäudes an der Hardturmstrasse statt und klang mit einem Apéro aus. Den Forschern, Organisatoren, Sponsoren und allen Mithelfern an dieser Stelle nochmals besten Dank!
Links zu diesem Blogpost
- Bernet ZHAW Studie
- NZZ: Ungenutzte Potentiale
- Storify: Studie mit ausgewählten Tweets während der Präsentation
Dass Blogs im Vergleich zum Vorjahr so abgefallen sind überrascht mich auch. Liegt es daran, dass der Aufwand unterschätzt wird?
Und die hohe Google+ Nutzung überrascht mich auch. Ich verwende das Netzwerk zwar auch, aber mehr oder weniger zu SEO-Zwecken, eine Kommunikation findet dort höchstens in den Gruppen statt.
Dass Blogs viel Aufwand bedeuten, kann abschreckend wirken. Andererseits kann ich mir auch vorstellen, dass die Newcomers, die an der Umfrage teilnahmen, mal erste Erfahrungen mit Facebook sammeln und dann weiter sehen. Abschliessend ist diese Frage – ohne qualitative Erhebung – nicht zu beantworten. Ich diskutiere jedoch gerne weiter darüber, denn in Social-Media-Kreisen werden Blogs ja gerne als DIE Drehscheibe der Sozialen Medien gehandelt.
Google+ ist vermutlich grad wegen der Suchmaschinen-Optimierung für Unternehmen interessant. Die Studie erhob, ob das Unternehmen Google+ aktiv nutze. Da jeder Content mittels eines Social-Media-Management-Tools wie z.B. Hootsuite mit einem Klick auch auf Google+ publiziert ist, ist eine solche Nutzung für Unternehmen kein grosser Mehraufwand. Wie intensiv die Aktivität der Unternehmen ist, wurde in der Befragung nicht differenziert. Die fachlichen Diskussionen in den Google+ Gruppen schätze ich übrigens persönlich sehr. Marketing und Kommunikationsfachleuten kann ich diese besonders empfehlen. Für Unternehmen, die ihre Thought-Leadership demonstrieren wollen, sind Google+ Gruppen eine Überlegung wert, ein Blog ist m.E. dafür primär geeigneter.
Spannend, dass Facebook immer noch so viel stärker genutzt wird, als Twitter. Denn laut einer aktuellen Studie ist Twitter im B2B-Bereich der stärkste Social Media Kanal. Die Studie zeigt, dass Twitter mit 82 % aller Social Media Leads neunmal wichtiger ist für die Leadgewinnung als Facebook oder LinkedIn.
http://news.worldsites-schweiz.ch/b2b-websites-suchmaschinen-bringen-41-besucher.htm