VBZDie Verkehrsbetriebe Zürich (VBZ) lancierten im Februar eine neue Generation von Online-Stellenanzeigen, genannt JobAd+. Damit wurden sie in der Schweiz zum Vorreiter, was interaktive Online-Stellenanzeigen betrifft. Das Jobportal besteht aus einer Plattform, die attraktive Videos beinhaltet, in dem sich Vorgesetzte bei den Mitarbeitenden bewerben. Mit dieser Umkehrung der bisher üblichen Sichtweise ist die VBZ seit letztem Jahr unterwegs. Heute werden darum herum die Rubriken Anforderungen, Aufgaben, Arbeitsweg, Vorteile und Fragen angeboten, die jeweils weitere Seiten mit entsprechenden Informationen führen und unter „Bewerbung“ direkt die Online-Bewerbung ermöglichen. JobAd+ soll die Möglichkeiten des Internets besser nutzen und spielerisch das Interesse der Bewerbenden wecken.

Die einfach und klar strukturierte Umsetzung erscheint mir für die Zielgruppe der VBZ sehr geeignet. Mich interessierte nun, wie die VBZ ihr Personalmarketing betreibt und das Social Recruiting darin eingebunden ist. Kommt das Portal bei den potentiellen Kandidaten besser an, als die konservative Werbung und woran ist dies sichtbar? Jörg Buckmann, der Leiter Personalmanagement der VBZ, hat sich bereit erklärt, mir für ein Interview  zur Verfügung zu stehen und mir ausführlich Antwort gegeben.


VBZ-Stellenanzeige

Herr Buckmann, hat die VBZ so viel Mühe, das richtige Personal zu finden, dass sie sich auf neue, innovative Wege begibt?

Tatsächlich ist dem so. Es ist für uns nicht einfach, die passenden Mitarbeitenden zu finden. Den Kampf um gute Berufsleute, den sogenannten „War for Talents“ spüren wir stark. Gute Berufsleute haben viele Alternativen. Nehmen wir zum Beispiel die Busfahrer. Von den insgesamt jährlich 200 bis 220 Mitarbeitende, die wir einstellen, sind allein 50 Busfahrer. Busfahrer haben jedoch genügend Alternativen, auch an privaten Arbeitgebern. Da Schweizerinnen und Schweizer geografisch nicht sehr mobil sind, kommen sie nicht nach Zürich, wenn sie an ihrem Wohnort eine Arbeit finden. Aus diesen Gründen geben wir viel Herzblut in Personalwerbung.

Wie kommt es, dass die VBZ im Social Recruiting No. 1 wurde? Habt Ihr bessere Ideen wie andere Unternehmen oder ist es, weil das Geld vom Steuerzahler kommt?

Ich höre diese Frage immer wieder, ausgesprochen oder nicht (lacht). Tatsache ist, dass die Steuerzahler rund ein Drittel des öffentlichen Verkehrs, mitfinanzieren. Der Service Public ist bekannterweise defizitär. Doch hat die VBZ weder zeitliche noch andere finanzielle Ressourcen übrig, also von beidem nicht mehr als andere. Was es für eine Vorreiter-Rolle braucht, ist Phantasie und Marketing-Verständnis, Durchhaltewillen und kurze Entscheidungswege. Wir HR-Leute müssen lernen zu machen. Glücklicherweise habe ich ein Umfeld, das mich machen lässt. Zudem ist Online-Marketing günstiger als jedes klassische Inserat. Online-Inserate wie wir sie erstellen – also mit Video – bedingen einmalige Investitionen, aber dann sind sie so kostengünstig wie jedes andere Online-Inserat. Die einmaligen Entwicklungskosten liegen übrigens im tiefen fünfstelligen Bereich. Für diese umfassende Art und Weise der informativen und emotionalen Information ist dies viel günstiger!

Welches sind Ihre Ziele mit der neuen Jobplattform?

Erstens wollen wir eine erhöhte Aufmerksamkeit erreichen und uns differenzieren. Wir suchen nicht-aktiv Suchende, deshalb wollen wir keine normalen Stellenanzeigen. Unsere Stellenanzeigen sollen einen wertschätzenden Charakter haben. Zweitens wollen wir Emotionen transportieren und drittens Informationen auf angemessene und zeitmässe Art vermittteln. Unsere potentiellen Zielgruppen haben ein Anrecht auf Interessantes. Stellenwerbung ist Marketing und sollte demnach nicht langweilig daherkommen! Ich finde es absurd, dass viele Firmen 5-6000 Franken für ein Werbeinserat ausgeben, das aussieht, wie vor 5-6 Jahren. Und es ist weder professionell erstellt, noch hat es eine emotionale Wirkung.

Wie vermitteln Sie die Arbeitgebermarke bei der VBZ?

Als städtisches Verkehrsmittel stehen wir bei der Markenvermittlung natürlich weiter hinten an als zum Beispiel Coca-Cola. Unser Image ist behäbiger, unsere Produkte sind langfristig ausgerichtet. Wir wollen die Botschaft transportieren, dass die Arbeit bei der VBZ spannend und vielseitig ist. Es geht uns darum, unser Image modernisieren und zwar authentisch. Dies erreichen wir heute mit unseren Videos.

Wo sehen Sie die Vorteile von Social Media?

Da denke ich typisch schweizerisch: weder schwarz noch weiss. Ich erachte es nicht als sinnvoll, Social Media losgelöst vom Rest des Personalmarketings zu sehen. Wir setzen für unser Personalmarketing verschiedenste Kanäle, crossmedial geschickt zusammen. Dazu nutzen wir selbstverständlich auch die sozialen Medien, doch ist Facebook nicht unser grosser Favorit. Unser Herzstück ist unsere Website www.vbz.ch. Wir haben die klar definierte Absicht, die Menschen auf unsere Website zu bringen.

Wie sollen wir uns eine crossmediale VBZ-Kampagne vorstellen?

Ein aktuelles Beispiel ist unsere Kampagne, die wir im Spätsommer 2011 speziell für Frauen gestartet haben. Aufgrund unseres Bedarfes – bisher haben wir nur 20 Prozent weibliche Mitarbeitende – haben wir für Tramführerinnen geworben. In diesem Quereinsteigerberuf suchten wir letztes Jahr 50 – 70 neue Mitarbeitende. Wir mussten in diesem Fall auffällig werben und ganz in die Breite gehen, denn ein Inserätli reicht da nicht.

So setzten wir neben dem Video-Portrait, eine Pressekonferenz, Facebook, eine Informationsveranstaltung und vor allem auch Plakate an Haltestellen (grosse für Frauen, kleine für Männer) ein. Damit wollten wir verhindern, dass die Frauen die tollen Jobs im Tram übersehen. Der Rücklauf sah wie folgt aus: der herkömmliche Medien-Plakatständer erreichte einen Rücklauf, der um ein Vielfaches höher war als derjenige von Facebook. Facebook ist für uns also kein Recruiting-Kanal, sondern einer, um mit der Zielgruppe in den Dialog zu treten. Unsere eigene Karriere-Webseite ist für uns nach wie vor der beste Zubringer der Online-Kanäle. Die potentiellen Arbeitnehmer erreichen uns –wahrscheinlich aufgrund unseres hohen Bekanntheitsgrades – via VBZ.ch oder über Google direkt, aber insgesamt weniger häufig über jobs.ch oder jobwinner.ch

Wie viele Stellenprozente für Social Media?

Wir haben rund 20 Stellenprozente im Human Ressource für die gesamte Personalarbeit. Das Recruiting mache ich zusammen mit den Personalfachleuten, die das Inserat texten und die externe Videoproduktion begleiten. Wir haben für die heutige Lösung nicht mehr Ressourcen im HR wie früher ohne Social Media. Herzblut und nicht Finanzen macht es aus.

Wie binden Sie Ihre Mitarbeitenden ein?

Ansprechen von potentiellen Arbeitskollegen war früher im Sportverein. Heute findet dies zunehmend in Facebook statt. Wir haben intern 30 freiwillige Ambassadoren, die als Botschafter offiziell auftreten und unter anderem unsere offenen Stellen multiplizieren. Die Vorgesetzten und Teammitglieder sind durch die Videos eingebunden, wie auch einzelne Teammitglieder.

Ist der Anteil der „Mitarbeiter wirbt Mitarbeiter“-Werbung durch die Videos höher geworden?

Einen quantitativen Anstieg haben wir nicht festgestellt, jedoch ist die Qualität durch die Videos besser geworden. Die Kandidatinnen und Kandidaten treffen besser vorbereitet bei uns ein. Die Rate an Mitarbeitenden ist bei uns hoch, die für uns Mitarbeiter anwerben. Sie liegt bei 22 – 23 Prozent, das ist jeder Vierte. Die Mitarbeitenden erhalten pro eingestellte Person vermittelte Person 500 Franken. Die Ambassadoren werden einmal pro Jahr an einen Botschafter Empfang geladen, einer Austauschplattform mit spannendem Referat und einer kulinarischen Abrundung.

Wie ist die Plattform gestartet?

Die ersten zwei Wochen haben die Zugriffe auf die Plattform zugenommen. Ich gehe davon aus, dies deshalb, weil es eine Neuheit ist und auch die HR-Leute sich bei uns umgesehen haben. Ansonsten rechne ich nicht mit mehr Klicks oder Bewerbungen. Das war auch nicht das Ziel, denn das Ziel ist, passendere Mitarbeitende anzuheuern.

Passender wird’s nicht sofort, da sind wir realistisch. Spürbar ist jedoch, dass die Leute, die sich bewerben, besser vorbereitet sind. Es bewirbt sich ja nur, wer mal alles durchgeklickt hat. Durch die Videos sind die Leute umfassender informiert. Die Live Videos generieren 2‘000 bis 3‘000 Klicks pro Aufschaltung.

Mit der Differenzierung ist es aber nicht so weit her, da andere Unternehmen die gleiche Plattform mit eigenem Corporate Design erstehen können. Weshalb hat sich die VBZ die Rechte nicht gesichert?

Ja, das ist sportlich von uns. Wir wären froh, die anderen würden das auch machen. Betreffend Differenzierung sehen wir es so, dass da so viel an Abläufen und Denke mit drin ist, dass es nicht so leicht kopiert ist. Sollte diese Art der personalwerbung einmal „state of the art“ sein und wir uns nicht mehr differenzieren können, machen wir halt wieder etwas Neues.

Herzlichen Dank , Herr Buckmann, für Ihre Zeit und Ihre volle Aufmerksamkeit, die Sie dem Interview geschenkt haben! 

 

Hinweis

Unternehmen, welche ein solches interaktives Stellenportal erstehen möchten, können dies beim technischen Partner der VBZ, Prospective Recruiting Solutions, tun. Die Templates der interaktiven Stelleninserate können mit dem eigenen Design in den Bewerber-Management-Prozess eines Unternehmens eingebaut werden.

Ergänzung 

Wer wissen will, wie viel die die Kombination Print-, Online- und Social Media der VBZ bringt, lese das hier nachträglich ergänzte Beispiel der königlichen Personalmarketing-Kampagne der VBZ.

Links zum Thema

Vom Employer Branding zum Social Recruiting – Strategisches Vorgehen (2)
Vom Employer Branding zum Social Recruiting – Voraussetzungen (1)
Employer Branding ist kein Personalmarketing