Wie der Markteintritt von Google Plus sich mittel- bis langfristig auf Facebook und Twitter auswirken wird, fragen sich viele. Google Plus ist seit dem Start am 29. Juni 2011 mit einer Beta-Version online. Zur Zeit ist die Teilnahme nur durch Einladung eines bestehenden Nutzers möglich. Zudem steuert Google die Anzahl Neuzugänge, indem die Registrierungen kurzfristig auf das Eis gelegt. Viele der ersten Nutzer sind begeistert. Google Plus ist einfach zu bedienen, erleichtert das Teilen und lockt mit einer attraktiven gesamtheitlichen Angebotspalette. Das Kommunizieren miteinander wird flüssiger erlebt. Findet bald mehr Austausch auf Google Plus als auf Facebook statt?

Sascha Lobo  schreibt auf  Google Plus : In den letzten drei Wochen mehr deutschsprachige, substanzielle Diskussionen  auf G+ gesehen als im gesamten Jahr 2010 in Blogs. Großartig und besorgniserregend.”

Kommentare, die eine oder andere Plattform nicht mehr so intensiv zu pflegen kursieren. Werden die 750 Millionen Facebook-Nutzenden auf Google Plus wechseln? Schläft Twitter ein? Diesen Fragen gehe ich in diesem Artikel nach.

Google Plus wächst rasant.

Heute sind es 20 Millionen Google Plus Nutzer, 10 Millionen waren es gemäss Gpluseins bereits nach 16 Tagen. Facebook brauchte für die ersten 10 Millionen 875 Tage und Twitter 750 Tage gemäss René Hesse von GPluseins. 100 Millionen erreichte Facebook in 9 Monaten. Google Plus wird sie voraussichtlich schneller erreichen. Die Masse ist heute in den sozialen Medien besser bewandert als noch in den Jahren als Facebook sich verbreitete. Zudem verlinken Facebooker und Twitterer ihre Posts und Tweeets heute mit Ihren Beiträgen auf Google Plus. Der Vergleich geht demnach von ungleichen Bedingungen aus und ist wissenschaftlich nicht haltbar. Interessant ist die Gegenüberstellungen deshalb, weil sie bewusst macht, wie viel schneller das digitale Rad der Zeit sich heute dreht und wie rasant Google Plus unterwegs ist.

Die Luft wird dünner

Je höher das angestrebte Engagement pro Plattform, desto dünner wird die Luft bei den vorhandenen Ressourcen. Jede Plattform benötigt Zeit. Eine Fokussierung wird notwendiger denn je. Spätestens nach dem erfolgreichen Start von Google Plus müssen Private wie Unternehmen wiederum überprüfen, welche Plattform sie für die Erreichung ihrer Ziele schwerpunktmässig berücksichtigen wollen.

Einen der bisher besten Vergleiche zwischen den Features von Google Plus, Twitter und Facebook habe ich bei Stefano Epifani gesehen. Er hat sie in einer übersichtlichen Infografik dargestellt, die die wesentlichsten Unterschiede der zur Zeit wichtigsten drei sozialen Netzwerke aufzeigt.

Google_Facebook_Twitter_Vergleich

 

Wer sich in den sozialen Netzwerken engagiert, will wissen welcher dieser Dienste das Rennen macht, damit er sein zeitintensives Engagement effizient einsetzen kann. Zur Zeit zwitschert täglich ein neues Szenario in meine Timeline. Im einen wird Twitter verkauft, im anderen Facebook, im dritten überleben beide. Geeks, Nerds, Social Medianer wie Unternehmer schreiben darüber, ob und wie Facebook, Twitter & Co. sich gegenüber Google+ behaupten werden, da sie viel Zeit, Herzblut und vielleicht auch Geld in diese Netzwerke investiert haben.

Wie stehen die Chancen für Facebook?

Facebook ist mit 91,4 % gegenüber 23 % von Twitter und 1.1 % von Google Plus laut VentureBeat absoluter Marktleader. Der wichtigste Grund, weshalb Facebook weiterhin an erster Stelle stehen könnte, ist der mangelnde Wille der 750 Millionen Nutzer und der Firmen, welche ihren Auftritt auf Facebook nun bereits erstellt haben, auf eine andere Plattform zu wechseln. Im Fbwatchblog werden weitere Gründe dafür aufgeführt.

Facebook hat jedoch die Gunst unzähliger Nutzer wegen Missmanagement der Privatsphäre verloren. Die Stimmung auf Facebook hat Martin Weigert in seinem Beitrag „Wenn man Nutzer zu oft vor den Kopf stösst“ im Blog Netzwertig ausführlich beschrieben.

Zudem sind viele Nutzer mit Facebook unzufrieden. Just zum Launch von Google Plus wird dies in den USA durch das Kundenzufriedenheitsranking ACSI “2011 American Customer Satisfaction Index E-Business Report” – auch gleich belegt. Google hingegen bei den Nutzern als Suchmaschinen-Dienst auf Platz eins der Kundenzufriedenheit.

Der Cartoon eines vernachlässigten Mark Zuckerbergs macht auf Facebook wie Google Plus die Runde. Doch noch ist nicht klar, in welche Ecke des Marktes Google Plus den einen oder anderen Wettbewerber verdrängen wird. Mit Google Plus hat Facebook nun einen ernstzunehmenden Konkurrenten. Der Journalist Falk Hedemann erklärt in seinem Blogpost, warum Google Plus gut für Facebook ist.

Was uns bei Facebook hält, ist hauptsächlich der soziale Kit, unser Freundeskreis. Die Unternehmen würden mitziehen, wenn diese abwandern. Doch ob die Masse der Freunde den Kreis jemals wechseln wird (wie im Cartoon), steht noch in den Sternen.

Schläft Twitter ein?

„Google Plus disqualifiziert Twitter als Diskussionstool“, schreibt Martin Weigert. Ein Diskussionstool war Twitter zwar noch nie, deshalb ist eine Disqualifizierung meines Erachtens nicht möglich. Twitter ist bisher das schnellste Medium, wenn es um Kurznachrichten geht. Aufgrund dessen Kürze von nur 140 Zeichen ist es schnell überblickt und in alle Welt verteilt. Ein Meinungsaustausch kann durchaus mal über ein paar Tweets erfolgen, doch für Diskussionen ist Twitter nicht ideal.

Wie wird sich Twitter weiter entwickeln? Vorschläge, was Twitter für ein Erstarken ihrer schwindenden Aufmerksamkeit wegen ihres neuen Konkurrenten Google+ machen könnte, hat Robert Scoble, einer der 140 Top-Twitterers weltweit, in seinem Blogbeitrag „Google has made Twitter boring. Here is what Twitter should do about it“ durchgedacht. Twitter muss sich einerseits auf seine Kernkompetenzen konzentrieren, um seinen Marktanteil zu sichern und andererseits geschickt zusätzliche Features anbieten, die Twitter ergänzen ohne sich durch Konkurrenten ersetzbar zu machen, was nicht ganz einfach ist. Es  ist nicht von der Hand zu weisen, dass Twitter die Masse bisher nicht hinter sich vereinen konnte. In einem Blogpost schreibt Nico Lumma, dass Twitter konzeptionell am Ende sei und keine Aussichten auf Besserung habe. Deshalb glaubt er an einen Verkauf von Twitter innerhalb von 12 Monaten.

Bleibt Diaspora auf der Strecke liegen?

Was für Diaspora und gegen Google Plus und Facebook spricht, ist die Macht der beiden Grossen. Die Diskussionen über die Privatsphäre zeigen das Unbehagen, das die Internetnutzer befällt, wenn sie sich mit dem Thema auseinandersetzen. Die Alternative dazu ist, beziehungsweise wäre Diaspora, für die ich aufgrund der gegenwärtigen Entwicklung bedauerlicherweise die gewünschte zweite Chance nicht sehe – nicht zuletzt deshalb, weil sie nicht die Macht verfügt, das Blatt auf ihre Seite zu wenden.

Google Plus will Facebook nicht bloss überholen

Der Beitrag “What G+ is Really About“ von Vincent Wong zeigt auf, wie Google Plus nicht Facebook oder Twitter ersetzt, sondern Microsoft und Apple gefährdet. Es gehe Google darum, alles in die Cloud zu schicken. Google will dabei nicht nur für ein gesamtheitliches Web-und Social Media-Erlebnis sorgen, sondern auch dafür, dass Google plattform- und anwendungsunabhängig als Arbeits- und Kollaborationsplattform verwendet wird. Google soll auch der zentrale Knotenpunkt für Applikationen und mobile Anwendungen sein und damit für alles sorgen, was wir auf dem Web brauchen. Google will also nicht (nur) Marktanteile in den sozialen Netzwerken erobern, sondern den ersten Platz in unserem digitalen Leben. Das Unbehagen, einem der Grössten noch mehr Macht zu geben, wird steigen.

Zur Auflockerung
Zum Schmunzeln zwischendurch verlinke ich hier zu einem Cartoon zu den strategischen Überlegungen von Google Plus, Facebook, Amazon, Apple, Twitter und Microsoft.

Sollen Unternehmen sich mit Google Plus auseinandersetzen?

Google ist einer der grössten Marktplayer auf dem Internet und die Teilnahme bei Google Plus beeinflusst die grösste Suchmaschine und damit die Sichtbarkeit der Unternehmen im Netz.

Noch ist Google jedoch nicht so weit, Unternehmensseiten auf Google Plus anzubieten. Im 3. oder 4. Quartal dieses Jahres  soll der Startschuss ertönen, womit Google Plus wieder für Schlagzeilen sorgen wird. Google Plus bietet Business Profile mit Statistiken und erweiterten Möglichkeiten fürs Teilen von Dokumenten, Bildern, Videos usw. an. Ein privates Google Plus Konto werde nicht in ein Unternehmenskonto wandelbar sein. Goolge baue kein Migrations-Tool, so VentureBeat und ein manuelles Wechseln von einem zum anderen Konto könne umständlich sein.

Um bisherige Geschäftsmodelle und Strategien über den Haufen zu werden, ist es noch zu früh. Google Plus ist unter den sozialen Netzwerken noch nicht klar positioniert. Doch empfehle ich, diesen Vorstoss von Google ernst zu nehmen. Er kann sich schneller als erwartet auf die Unternehmenswelt auswirken.

Wie Jeremiah Jowyang, ein Web Strategist und Blogger aus dem Silicon Valley, die Entwicklung sieht:

“Here’s where Google+ can overtake FB. Google indicates future brand pages score great SEO, and brands will turn on marketing engines (1/2) If this happens, Corporate Websites will pump their corporate branded Google+ pages, sending incredible energy to Google. (2/2)“ schrieb er in zwei Tweets 22. Juli 2011. 

Tweet über Google Plus

 

 

 

Persönliche Schlussfolgerungen

Die mehrheitlich positiven Kommentare, meine persönlichen Erfahrungen sowie jene, die ich in Twitter lese, sprechen für Google Plus. Eigen-PR von Google selbst mag dabei eingeflossen sein, doch das Gros der Meinungen bildet dies meines Erachtens ab. Ob diese positive Stimmung anhält, bleibt jedoch abzuwarten. Beispiele, wie die Unstimmigkeiten betreffend der vorgeschriebenen Profilnamen, um mit Google Plus uneinig zu sein, wird es weitere geben. Ein Kundenzufriedenheitstest in 12 und 24 Monaten wird aussagekräftiger sein.

1) Google hat mit Google Plus die Chance, Facebook den ersten Rang in den sozialen Netzwerken abzulaufen. Die Unternehmen wird Google Plus dazu bewegen können, zu Ihnen zu wechseln, denn sie wollen von der grössten Suchmaschine gefunden werden. Dies macht Google zu einem machtvollen Marktplayer, den die Unternehmen nicht links liegen lassen können. Zudem lässt die Aussicht auf ein ganzheitliches Web & Social Media & Mobile Erlebnis mit voll ausgebauter Collaboration-Plattform die Herzen vieler Nutzer möglicherweise rascher als erwartet für Google Plus schlagen.

 2) Facebook ist aktuell die Nr. 1 und wird vorne bleiben. Die anfängliche Studentenplattform ist heute die soziale Plattform von Freunden für Freunde. Dass sich die Facebook Freunde verschieben, kann ich mir dann vorstellen, wenn Facebook sich grobe Fehler erlaubt,  Entwicklungen verschläft und/oder Google Plus aufgrund seines attraktiven Gesamtangebots zum Muss für die Massse wird. Business wird sich von Facebook ebenso lange nicht zurückziehen. Die Mittel der Unternehmen sind endlich. Prioritäten müssen gesetzt werden: Die Werbemittel werden dorthin fliessen, wo die Ziele der Unternehmen erreicht werden können.

3) Die meisten Twitterer waren schnell von Google Plus begeistert, ohne gleich die Hände von Twitter zu lassen. Ich wünsche Twitter, dass die Nische Kurznachrichten verteidigen kann, doch befürchte ich, dass Twitter der Schnauf ausgehen könnte und es nicht bis ans Ziel schafft.

Mein Fazit: Ich stelle mir vor, die beiden Ersten werden vorerst auf dem Markt koexistieren, Google als starker multimedialer Partner im Business-Bereich und Facebook wird sich je länger je mehr auf ihre Kernkompetenz, die die sozialen Aktivitäten im Freundeskreis, zurückbesinnen.

Wer gewinnt? Das weiss auch ich nicht.

Wem ich die Daumen drücke? Das steht auf meinem Wettschein.

Und auf wen setzen Sie? Welche Konsequenzen erwarten Sie durch Google Plus auf Ihr Engagement in den sozialen Netzwerken? Ich freue mich über Kommentare.