Welche Chancen und Risiken gehen mit einem Social Media Engagement einher? Das wollen Politiker nächste Woche in einem Seminar von mir beantwortet wissen. Politiker unternehmen Gratwanderungen zwischen verschiedenen Fronten. Welches sind die typischen Fallen? Wie reagieren on- und offline Medien? Welche Plattformen sind empfehlenswert und wie lauten die Tipps für einen erfolgreichen politischen Auftritt? Und nicht zuletzt wollen sie wissen, wie sie sich in Shitstorms verhalten sollen. Die wichtigsten Empfehlungen für Politikerinnen und Politiker habe ich zusammengefasst.

Diese 12 Gebote sollten Sie, liebe Politikerinnen und Politiker beachten, wenn Sie sich auf den Weg ins Social Web machen:

1. Stelle die anderen ins Zentrum #Wertschätzung

Aufmerksamkeit, Wertschätzung und Zugehörigkeit sind menschliche Bedürfnisse. Wenn Sie Herz und Kopf anderer Menschen überzeugen wollen, lassen Sie sie spüren, dass Ihnen deren Meinung etwas wert ist, sei es, indem Sie Fragen stellen oder auf ihre Aussagen Bezug nehmen. Die Menschen reden am liebsten von sich selbst. Beim Netzwerken und so auch auf den sozialen Netzwerk-Plattformen gilt: wer schätzt, wird geschätzt. Lassen Sie – auch über sich – reden (sie brauchen nicht jede Meinung zu kommentieren oder richtig zu stellen) und würdigen Sie alternative Meinungen. Indem Sie interessante Inhalte von anderen teilen, zeigen Sie, dass Sie sich für mehr interessieren als Ihre eigene Meinung. Vernetzen Sie sich mit anderen und lassen Sie die Welt wissen, mit welchen tollen Menschen Sie sich umgeben. Die Wirkung von Wertschätzung wird unterschätzt. Stellen Sie sie ins Zentrum Ihrer Dialoge. Wirksames Networking und Weiterempfehlungen durch positive Mund-zu-Mund-Propaganda gehen mit der Aufmerksamkeit für andere einher, denn Empfehlungen sind weit glaubwürdiger als Ihre Selbstvermarktung.

2. Höre zuerst zu #Monitoring

Zuerst zuhören, dann reden. Zuhörende wissen, was andere beschäftigt. Sie erfahren dabei, wo Gespräche stattfinden, welches die schmerzlichen Punkte sind, wo Argumente Lücken aufweisen oder wo die Chancen einen überzeugenden Auftritt zu machen gut sind. Mit der Zeit erhalten Sie ein gutes Gespür für die aktuelle Lage. Mit dem Einsatz von Social Media Tools können Sie Marktforschung betreiben, die zwar nicht ohne Aufwand zu erhalten ist, aber zeigt, was online läuft.  Social Media Monitoring ist unabdingbar, um die wichtigen News aus der Informationsflut zu filtern. Ohne Monitoring unterwegs zu sein, ist etwa die gleiche Herausforderung wie taub im Chor mit zu singen oder blind Auto zu fahren.

Stellen Sie Fragen an Ihre Fans und Followers, wollen Sie Feedback, wo der Schuh drückt und der Trend hingeht. Voraussetzung ist, dass Sie die Community sorgfältig (nachhaltig und auf Qualität achtend) aufgebaut haben. Es hören mehr Menschen zu als aktiv sind, deshalb sind die lauten Stimmen nicht zu überschätzen. Doch Sie werden lernen, die Online-Feedbacks einzuordnen. In der Regel wissen Sie ja aufgrund der personalisierten Profile, von wem das Feedback stammt.

In der Social Media Szene habe ich unter den «Professionals» (eine Facebook-Gruppe) nachgefragt: «Worauf müssen Politiker in den Sozialen Medien besonders achten?» Zuhören, sollen Politiker, war die häufigste und eindringlichste Empfehlung.

Yves Moret: «Die Auftritte in den (Sozialen) Medien sollten nicht von Bashing und … beherrscht werden. Es sollte ein Bild von Lösungsorientiertheit und, wenn angezeigt auch Konsens mit der Gegenseite angestrebt werden. So finden die User einen Mehrwert und fühlen sich zum Dialog aufgeordert.»

Adrienne Fichter: «Stimme Yves Moret zu. Auserdem: Nicht monoton einseitig Parolen verlautbaren, sondern ZUHÖREN. Die meisten Politiker haben entweder keine Zeit, folgen niemandem Anderem auf Twitter/Facebook/Google+ oder kennen die Timeline-Funktion nicht. Sie reagieren meist nur, wenn sie in einem Beitrag erwähnt werden, wenn überhaupt. Ansonsten posaunen sie höchstens die Medienmitteilungen Ihrer Partei hinaus. Es gibt nur wenige Kanddierende, die sich aktiv (und unaufgeordert) in politische Diskussionen einmischen und diskutieren und jemanden wirklich auf Social Media überzeugen wollen. (Ich rede aus 3 Jahre Politnetz-Erfahrung)

Roger Hausammann: «Politiker haben dasselbe Problem wie die meisten Menschen: Sie reden lieber selber statt auch mal zuzuhören. Das widerspricht der Idee von Social Media. Politiker müssen also ihre Kommunikation grundsätzlich hinterfragen.»

Hans-Dieter Zimmermann: «Auch wenn es abgedroschen tönt: Wichtig ist „man selbst“ zu sein, authentisch, nicht aufgestülpt. Und was viele (nicht nur Politiker) gern vergessen: Social Media sind Dialog- und nicht 1:n Medien. Informelles, Dialog, Zuhören, Geduld haben, Qualität anstatt Quantität – letztendlich ein neues, anderes Kommunikationsparadigma.»

Martin Fuchs steuerte seine zehn goldenen Regeln und Daniel Graf seine 10 Tipps aus der Praxis bei. Social Media hat etwas mit Geben und Nehmen zu tun. Statt «luege – lose – laufe» wie im Strassenverkehr gilt im Netz «zuhören – aufnehmen – teilen». Sie haben mir ihre Tipps für Sie mitgegeben, dafür wurden sie in meiner Präsentation erwähnt und nun auch in diesem Post verlinkt.

3. BeTEILige dich #Dialog

Beteiligen Sie sich am Dialog, werden Sie Teil der digitalen Gesellschaft. Dies tun Sie, indem Sie interessante Inhalte mit anderen teilen. Es nicht zu tun, bedeutet, dass Ihnen irgendwann niemand mehr zuhört und Sie einen Monolog führen. Andere Meinungen in relevanten Online-Medien, Blogs oder Facebook-Pages zu kommentieren ist eine weitere Möglichkeit sich an Diskussionen zu beteiligen. Bevor Sie Ihre eigenen Argumente darlegen tun Sie gut daran, die Meinung des anderen zuerst zu würdigen. Mit der Zeit scharen Sie so Gleichgesinnte um sich und schaffen sich Freunde. Dialog schafft Verbindung. Kommunion durch Kommunikation.

Positionieren Sie sich im Dialog. Kommunizieren Sie dort Ihre Kernbotschaften und heissen Anliegen mit aller Leidenschaft.  

Ihr Wissen darüber, wo was erzählt wird, können Sie für proaktives Agenda-Setting nutzen. Online-Medien sind der Vorhof der klassischen Medien. Heute werden mehr und mehr Unternehmen zu Medienunternehmen, weil Content die Währung für die Aufmerksamkeit der Kunden ist. Dasselbe gilt für Sie. Die klassischen Medien haben ihre Gate-Keeper-Funktion eingebüsst. Als Politiker brauchen Sie heute nicht mehr zu warten, bis die Medien Ihre Meinung aufgreifen. Sie können Sie über die eigenen Kanäle publizieren und aktiv verbreiten. Gewöhnen Sie Ihre Fan-Gemeinde an den Rhythmus Ihrer News, belegen und bewirtschaften Sie Ihre bevorzugten Themen und Schlüsselwörter.

4. Nenne keine üblen Namen #Netiquette

Ich lese Tweets von Politikerinnen und Politikern, die mich aufgrund deren Abschätzigkeit anderen gegenüber erschauern lassen. Ich gestehe, es liesse sich im vorhergehenden Satz wahrscheinlich jede Berufsbezeichnung einfügen. Beleidigungen auszusprechen schädigt das eigene Image. Überzeugen Sie lieber durch herausragende respektvolle, beziehungsweise empathische Äusserungen in Ihrer Kommunikation und vermeiden Sie auf Bodenminen zu treten. Denn wer die Achtung vor seinem Mitmenschen verloren hat, verliert an Achtung bei seinen Mitmenschen. Ich empfehle Ihnen festzulegen, welches Verhalten und welchen Umgangston Sie online und offline von sich selbst und anderen erwarten und wo Sie Ihre Grenzen ziehen. Formulieren Sie eine Netiquette, die Sie von Ihren Diskussionspartnern berücksichtigt haben wollen und stellen Sie sie auf Ihre Seiten. So können Sie bei Zuwiderhandlungen Bezug darauf nehmen.

5. Bekenne deine Fehler, bevor es andere tun #Offenheit

Wenn Sie einen Fehler gemacht haben, dann seien Sie schnell genug mit Ihrem Bekenntnis, bevor Sie mit Beschimpfungen überhäuft werden oder sich in Ausreden verlaufen. Rechtfertigen Sie sich nicht. Offenheit wird geschätzt, das Abweisen von Schuld auf andere wirkt hingegen kleinmütig und kleinkariert. Mit Enthüllungen sollten Sie nicht warten, bis andere über Sie hergefallen sind. Wenn Sie wollen, dass andere die Gründe Ihres Handelns verstehen, starten Sie von Vorteil mit dem Verständnis für die Gefühle und Anliegen der anderen, mit Empathie.

6. Sei empathisch #Empathie

Wenn Sie kund tun, was in Ihnen vorgeht, werden die Menschen Sie nicht nur mit dem Kopf, sondern auch mit ihrem Herz verstehen können (Argumente allein reichen nicht aus). Ihr Gegenüber braucht mehr Angaben darüber, wer Sie sind, wie Sie empfinden und welches Ihre Anliegen sind, weil online zusätzliche Angaben wie Mimik, Gestik oder Tonlage fehlen. Für andere Menschen werden Sie besser spürbar, wenn Sie über Ihr Befinden sprechen. Dasselbe gilt umgekehrt: Wenn Sie sich nach dem Befinden anderer erkundigen, verstehen Sie die anderen besser und werden zudem dafür geschätzt, dass Sie sich erkundigt haben.

7. Stiehl keines anderen Content #Recht

Teilen Sie Inhalte, doch kopieren Sie keine Texte und Bilder ohne Quellenangabe. Im Netz gelten insofern eigene Regeln, dass das Weiterleiten und Einbinden von Inhalten anderer erlaubt ist – das ist dann, wenn die Quelle klar ersichtlich ist. Das danken Ihnen andere und vergelten es später. Das Copyright hat ansonsten nichts an seinem Recht eingebüsst.

8. Kaufe keine Fans und Followers #Engagement

Eine hohe Anzahl Fans und Followers macht Eindruck, aber lassen Sie sich nicht blenden: Die Anzahl Fans und Followers sagt nicht viel aus. Sie zeigen nicht, wie viele Menschen wirklich hinter Ihnen stehen. Achten Sie auf den Austausch. Die Interaktion. Das ist, was online zählt. Sichtbar ist für Google und die anderen Mitmenschen nur, wer sich engagiert. Echtes, eigenes Engagement ist gefragt. Dadurch sollen Sie und Ihre Community sich auszeichnen.

9. Lügen haben keine Beine #Transparenz

Transparenz ist ein Zeichen der Zeit. Was noch versteckt ist, kann jederzeit aufgedeckt werden. Alles ist vernetzt, alles kann verbunden, interpretiert und verwendet werden. Nicht alles muss wahr sein. Weder auf kurze noch auf lange Beine zum Davonrennen ist Verlass. Was im Netz ist, bleibt im Netz und kann jederzeit wieder aufgegriffen, genutzt oder missbraucht werden. Wasser predigen und Wein trinken funktioniert nicht. Damit verlieren Sie an Glaubwürdigkeit. Bereiten Sie ehrliche Antworten auf Fragen vor, die Ihnen unbequem wären.

10. Bewahre die Ruhe #Shitstorm

Beobachten Sie als erstes die Situation in aller Ruhe, bevor Sie Beurteilungen aussprechen. Verschaffen Sie sich einen Überblick über Situation und Motivation der Stürmer. Dann nehmen Sie klar Stellung zu dem, was Sie bereits wissen oder entschieden haben.

  • Formulieren Sie de-eskalierende, authentische und glaubwürdige Botschaften.
  • Antworten Sie schnell und teilen Sie mit, bis wann die nächsten Informationen erwartet werden dürfen.
  • Finden Sie heraus, wer die Angreifer sind. Welches ist ihre Motivation, welches sind ihre Ziele? Eruieren Sie, welches die genauen Ursachen sind.
  • Platzieren Sie positive Argumente zum Thema.
  • Legen Sie massvolle Offenheit an den Tag und schaffen Sie rasch Transparenz.
  • Ehrlich währt am längsten.
  • Zeigen Sie Engagement und Verantwortungsbewusstsein.
  • Haben Sie einen Krisenplan? Erstellen Sie einen, falls sie noch keinen haben.

11. Habe eine #Strategie

Welches sind Ihre Ziele, wie soll Social Media Sie dabei unterstützen, sie zu erreichen? Was zeichnet Sie aus? Welches sind Ihre einzigartigen Stärken? Was können Sie besonders gut und wie können Sie diese Kompetenzen on- und offline nutzen? Gestalten Sie Ihre Online-Identität, definieren Sie Ihre Schlüsselbotschaft und setzen Sie sie auf Ihre Dialoggruppen abgestimmt mediengerecht um. Am Ende des Jahres kontrollieren Sie, was Sie erreicht haben. Dabei könnten Ihnen meine 6 Wegweiser behilflich sein.

Soziale Medien sind keine Verkäufer, sondern Öffentlichkeitsarbeiter. Lassen Sie Ihnen Zeit, um ihre kraftvolle, nachhaltige Wirkung zu entfalten. Deshalb ist ein langsamer Aufbau der Community (der Fan-Gemeinde) angezeigt. Gezielte Werbung oder eine Kampagne kann den Community-Aufbau durchaus unterstützen, wenn Sie sie auf der soliden Basis einer stabilen Gemeinschaft (Community), aufziehen.

12. Bleibe du selbst #Authentiziät

Erzählen sie Ihre eigene authentische Geschichte. Spielen Sie sich und anderen nichts vor. Sie werden schnell entlarvt sein. Bleiben Sie so, wie Sie sind und lassen Sie andere spüren, wie Sie ticken. So werden Sie für andere als lebendiger und echter Mensch spürbar.

Viel Erfolg im Netz wünsche ich Ihnen und viele bereichernde Diskussionen.

 

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