Greenpeace fordert von Migros, dass sie giftfreie Kleider garantieren. Andere grosse Marktplayer wie Coop, Zara, Levis, Benneton, C&A, H&M sowie Marks and Spencer seien überzeugt, dass dies möglich ist. Greenpeace verlangt von Migros dasselbe Versprechen. Gemäss einer Greenpeace-Studie reichen die Bemühungen von Migros nicht aus und deshalb möchte Greenpeace mit der Migros über ein Detox Solution Comitment diskutieren, das sie bisher ablehne. Migros hingegen spricht in Ihrer Stellungnahme von laufenden Gesprächen mit Greenpeace. Am 13.2. startete Greenpeace Ihren Online-Angriff. Wer gewinnt?
Wo bleibt die konsequente Haltung der Diskussion?
Migros stellt die Forderung von Greenpeace auf Migipedia und nimmt dort auch gleich Stellung. Eine konsequente Haltung? Ob die Migros sich der Diskussion mit Greenpeace verweigert – oder Greenpeace der Diskussion mit Migros? Ich verfolgte zu Beginn des Angriffs von Greenpeace, von dem ich auf Twitter las, einfach mal, wie Migros auf Migipedia mit diesem so genannten Shitstorm umgeht. Vorerst sah ich dabei keinerlei Diskussionsbereitschaft.
Als erstes besuchte ich via Twitter die Seite der Greenpeace-Forderung, die Migros auf Migipedia veröffentlicht hatte. Mutig? Nicht wirklich, denn auf der eigenen Plattform konnte Migipedia die Diskussionen am besten „im Griff“ haben. So konnte ich dort kein „Gefällt mir“ abgeben. Bei der Stellungnahme von Migros zur Greenpeace-Forderung war dies hingegen möglich.
Innert 20 Stunden sammelten sich auf der Ideenplattform, auf der Vorschläge zur Verbesserung der Migros platziert werden, rund 850 Kommentare an, am 15.2. waren es 1128, bei Veröffentlichung dieses Artikels am 17.2. sind es 1290 . Es gab hier keine exponentielle Steigerung mehr.
Tanja postete im Einsatz für Migros auf Migipedia auf dieser Ideenplattform beharrlich alle paar Stunden die immer gleichbleibende Mitteilung:
Dass nicht jedem einzelnen Post geantwortet werden kann, liegt bei dieser Menge auf der Hand. Gespannt war ich jedoch, wie die Migros auf die Entrüstung, die Gefühle der Community einging…. – Gar nicht. Sie dürfen sich getrost die Finger wundschreiben. Sie schreiben ihre Entrüstung nach wie vor gegen eine Wand. Als respektvoller Umgang mit einer Anspruchsgruppe kann ich dies nicht werten, auch nicht als Diskussionsbereitschaft oder als vorbildlicher, mutiger Dialog. Im Gegenteil, es als ob sich die Migros hinter ihren Schutzschildern verkrieche. Schützt sie sich denn wenigstens vorbildlich? Weshalb kümmert sich Migipedia nicht besser um die aufgebrachten Kunden?
Aus wem besteht die entrüstete Community?
In den Anfängen eines Shitstorms ist es für Aussenstehende nicht gleich offensichtlich, wer aufbegehrt. Bei Migipedia sah ich mit wenigen Ausnahmen anonyme Avatars, die alle als graue Gäste erscheinen. Ein paar wenige gaben ihren vollen Namen und eine E-Mail Adresse an. Sind es eher Kunden oder eher Aktivisten der Kampagne? Alles Menschen, die Interesse haben, dass die Standards nicht nur beim Mission Statement, sondern auch in der Umsetzung hoch gehalten werden. Aufgrund meiner Beobachtungen im Netz konnte ich davon ausgehen, dass in den ersten Tagen vorwiegend die Drahtzieher selbst und deren Netzwerk ihre Meinung kund taten.
Migros lässt die Aktivisten also an der hauseigenen Community-Klagemauer Migipedia (die Links auf Migipedia sind inzwischen gelöscht worden) austoben. Dasselbe auf der nachfolgenden Seite, auf der sie „weiter diskutieren“ sollen. Von Migros waren keine weiteren Stellungnahmen zu einzelnen Meinungen der „Gäste“ zu lesen. Dies wirkte nach alter Schule, doch es wirkte. Es gab so nichts Neues, an welchem die Angreifenden sich hätten entzünden können. Ist das „Klagen lassen“ auf der eigenen Plattform ein guter Weg, wie man glimpflich aus einer Krisensituation heraus kommt?
Klagemauer spielen – ist das ein Kardinalsweg?
In dieser Situation, in der bloss Aktivisten und kaum Kunden sich zu Wort melden, finde ich das Aussitzen keine vorbildliche Dialogform, doch eine funktionierende Taktik. Auf kleinstmöglichem Feuer wird ein Sturm so lange gehalten, wie dies möglich ist. Wenn sich die ersten Flammen auf die Öffentlichkeit ausbreiten, muss sich das Team eine neue Gangart aussuchen. Mangels öffentlichem Interesse breitete sich das Feuer bisher nicht aus wie bei Amazon.de. Dort übernahmen die traditionellen Medien, die breite Öffentlichkeit weiss nun Bescheid. Der Zwist zwischen Migros und Greenpeace kam bisher nicht so weit.
Unterstützung in der Szene – eine Krisenprävention?
Twitter ist das schnellste Medium. Hier wird diskutiert und gelästert. Gegen Migros wurde kein Sturm geblasen. Weshalb? Einerseits gab Greenpeace selbst keinen Schub, andererseits wurde das Thema nicht als wichtig genug erachtet. Déjà-vu und zu wenig Fleisch am Knochen? Die Migros hat in der Social Media Szene einen starken Rückhalt. Sich Unterstützung – nicht bloss in der Community selbst – sondern auch in der Social Media Szene aufzubauen, kann eine weitere Form der Krisenprävention sein. Je mehr Verständnis und Sympathie die Publizisten für ein Unternehmen haben, desto höher stehen die Chancen für eine ausgewogene Berichterstattung. Doch reicht dies als Prävention nicht aus, wenn ein Unternehmen Mist baut. Die Greenpeace-Forderung erhält auf Twitter wie in den traditionellen Medien bisher keine genügende Unterstützung.
Die Detox-Kampagne nimmt ihren Lauf
Greenpeace versucht derweil weiter die Öffentlichkeit zu mobilisieren. Zuerst ein Kampagnenbild mit dem Vermerk «ein M giftiger», dann Aufruf auf Ihrer Website, auf der man ein E-Mail an den CEO der Migros Herrn Bolliger schreiben kann, um ihn zur giftfreien Produktion der Kleider im M-Sortiment aufruft. Auch auf der Facebook-Seite von Migros stürmt’s. Dort geht Migros auch auf einzelne Posts ein, was ich grundsätzlich gut finde.
Ist es doch besser, die Juristen spielen zu lassen?
Am 14.2. greift Migros zu juristischen Schritten: Greenpeace habe einen Brief vom Migros-Rechtsdienst erhalten, der besagt, dass sie sich die Einleitung zivil- und strafrechtlicher Schritte vorbehält. Das Zeter und Mordio deswegen kommt bei mir nicht glaubwürdig an. Dies ein üblicher und rechtlich sinnvoller Schritt, um Widersacher frühzeitig zu warnen und eine Handhabe gegen allfällige Übertritte zu haben. Jedes Unternehmen darf und muss sich für seine (Marken-)Rechte wehren. Und da Greenpeace, die Migros-Marke mehrmals für ihre Kampagne verunstaltete musste sie damit rechnen.
Versprechen – ein Ver-sprecher?
Auf der Migros Website steht:
Über Generation M
«Wir alle sind für die Zukunft der nächsten Generation verantwortlich. Mit verbindlichen Versprechen und konkreten Projekten übernimmt die Migros Verantwortung und leistet einen Beitrag an die Zukunft, die wir uns alle wünschen.»
In der Stellungnahme der Migros zur Greenpeace-Forderung steht hingegen:
«Es ist uns wichtiger, ein Versprechen an die Kunden und nicht an Greenpeace abzugeben. Ein Versprechen ist nicht seriös, wenn Zweifel an der Realisierbarkeit bestehen.»
Als Kunde hätte ich wohl lieber, wenn ihr Greenpeace ein Versprechen abgeben könntet. Die haben ein Auge darauf, ob es auch eingehalten wird. Wie merken wir es als Kunden? Durch nette -Ver-sprecher auf der Website? Wem Migros das Versprechen nicht abgeben kann, spielt meines Erachtens keine Rolle. Sie kann und tut es nicht. Es ist positiv zu werten, dass keine Versprechen gemacht werden, die nicht eingehalten werden können, doch hat sie nicht schon mehr versprochen als sie einhalten kann?
«Obwohl wir unsere Produkte nicht selbst produzieren, fühlen wir uns dem sorgsamen und nachhaltigen Umgang mit natürlichen Ressourcen verpflichtet und setzen dabei auf unser Migros eigenes eco-Programm. Unser Commitment gilt den Kundinnen und Kunden der Migros.»
… und weil das Commitment den Kunden gilt, verkauft Migros ihnen giftige Kleider?
In den Antworten auf häufig gestellte Fragen vom 15.2. von Migros lesen wir, weshalb dem so ist und was Migros dagegen tut. Für meinen Geschmack kamen die zu spät, das heisst, ich hätte gerne früher gelesen, dass sie die Entrüstung über die Gifte in den Kleidern versteht und dass ihr das Thema wirklich am Herzen liegt. Die erste offizielle Stellungnahme war mir nicht glaubwürdig genug. Die Sozialen Medien wären geeignet, um Gefühle und Commitment zu zeigen. Bisher hat Migros ihren Job sonst gut gemacht. Greenpeace sei nun zu Diskussionen bereit, meldet die Migros in dieser Stellungnahme. Sturm-Entwarnung?
Gift bleibt Gift, doch kratzt das die Kunden?
Interessiert das die Kunden denn wirklich nicht – oder haben sie es bloss nicht erfahren? Bedenklich ist es einerseits, wenn wir uns an unsere eigene Vergiftung gewöhnen. Andererseits sind unrealistische Ziele nicht förderlich. Wenn das Vertrauen in die Migros gross genug ist, dass sie bereits alle möglichen Schritte unternommen haben, hat ein Sturm schlechte Karten. Für einen Flächenbrand müssen die Kunden erstens vom Gift in den Kleidern wissen, dies zweitens als bedeutsam erachten und ein substantielles Interesse haben, das zu verändern und drittens müssten sie bereit sein, sich dafür zu engagieren. Wenn nicht, dann passiert – Greenpeace hin oder her – nichts weiter.
Die Prognosen für einen möglichen Schaden nach dem Shitstormzeigen für Amazon gegen Null. Und für Migros? Migros hat gute Gründe dafür, kein Versprechen abzugeben, das sie nicht einhalten können. Der Sturm schaffte es bisher nicht, die breite Öffentlichkeit vom Gegenteil zu überzeugen. Die Diskussionen gehen derweil auf Migipedia und Facebook weiter.
PS: Die direkten Links führen inzwischen leider nicht mehr auf die entsprechenden Seiten oder Facebook-Posts von Migipedia.
Learning: Die eigenen Screenshots halten länger.
Was lautet Ihre Meinung? Hätte die Migros anders handeln sollen – oder agierte sie bisher geschickt? Wird der Sturm ohne Folgen verebben? Gespannt erwarte ich Ihre Kommentare!
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