Die Rhätische Bahn (RhB) hat anfangs 2011 begonnen, Soziale Medien fürs Unternehmen zu nutzen. Die Aussage von Michael Kistler, dass die RhB ebenso wenig Aufwand wie die BLT betrieb, konnte ich nicht glauben. Seit gut zwei Jahren arbeitet Manuela Gallati bei der RhB und ist in der Abteilung Marketing und Vertrieb zuständig für Content Marketing. Die RhB beschäftigt 1320 Mitarbeitende. Im Interview erklärt sie, wie alles angefangen hat, wo es gut läuft und wo noch Hürden zu überwinden sind.
Manuela, wie hast du bei der RhB die Sozialen Medien angepackt?
Bei meinem Stellenantritt hatte die Rhätische Bahn gerade ihre Strategie geändert. Die Unternehmensstrategie 2020 läuft unter der Vision «faszinierend anders unterwegs». Und in den Sozialen Media hatte sich wieder einiges getan. Also überarbeitete ich das Konzept meines Vorgängers und passte es der neuen Strategie und der neuen Situation an. Meine Priorität war es, Social Media noch besser in das Gesamtmarketing zu integrieren. Darum ist das Social Media Konzept nun ein Bestandteil des Marketingkonzepts und beinhaltet im Marketingplan einen Social Media Plan mit den wichtigsten Massnahmen.
Welches sind heute Deine Ziele?
Zurzeit arbeite ich daran, innerhalb der Marketing-Kommunikation die verfügbaren Kanäle in eine Gesamtplanung zu integrieren. Mit diesem Schritt in Richtung Multichannel Marketing verfolgen wir das Ziel, personelle Ressourcen und Content möglichst effizient zu nutzen. Mit unserer Kommunikation auf den Social Media Kanälen wenden wir uns an verschiedene Dialoggruppen: Freizeitreisende, Pendler und Bahnfans. Die Bahnfans sind sehr aktiv. Da brauchen wir nicht viel zu tun, denn sie sind von sich aus motiviert. Sie sind unsere Botschafter, die immer wieder Fotos auf unsere Wall posten und unsere Inhalte rege teilen. Das unterstützen wir, indem wir wiederum ihre Fotos teilen. Pendler wollen Infos in Echtzeit. Die Freizeitreisenden sind im Markt stark umkämpft, da müssen wir uns mit gutem Content stetig bemühen. Neben diesen qualitativen haben wir auch quantitative Ziele wie beispielsweise den Ausbau der Instagram-Follower auf 1500 oder das Erreichen einer Facebook-Reichweite von 15 Mio. bis Ende 2015. Dennoch verschieben wir zurzeit unseren Fokus weg vom quantitativen Follower-Wachstum hin zu einem qualitativen Wachstumund damithin zu mehr Relevanz, vor allem im Bereich Umsatz.
Hast du konkrete Beispiele, wie Ihr «umsatzrelevanter» werdet?
Die Zeit der grossen Wettbewerbe mit aufwändigen App-Entwicklungen ist für uns vorbei. Heute pflegen wir unser Image mit attraktivem Content, erinnern uns aber dennoch immer daran, dass wir am Ende vor allem Zugbillette verkaufen möchten. In Beiträgen auf unseren Social Media Kanälen und im Newsletter machen wir, wo immer sinnvoll, auf ein buchbares Angebot aufmerksam. Mit unserer neuen Website inklusive Ticketshop haben wir seit gut einem halben Jahr auch die Möglichkeit, die Produkte zu verlinken und online zu verkaufen. Den attraktiven Content stellen wir durch regelmässige Beiträge im RhB-Magazin „Contura“, mit Video-Produktionen sowie schönen und besonderen Fotos sicher.
Wie messt Ihr das? Wann habt Ihr einen guten Job gemacht?
Wir tracken den Umsatz, der von Facebook kommt, über Google Analytics. Ausserdem erstellen wir ein monatliches Reporting zu den vorher genannten Zielgrössen und reflektieren im Team, was in der Community wie aufgenommen wird und wie wir unsere Beiträge hinlänglich unserer Ziele optimieren können.
Wie viele Stellenprozente brauchst du, um Deine Ziele zu erreichen?
Neben mir sind eine weitere 80 % Stelle und zwei Praktikanten mit je einer 100 % Stelle beschäftigt. Zusammen mit unserem Leiter Michael Kistler kümmern wir uns mit diesem Pensum um die gesamte Marketing-Kommunikation der RhB. Wie viel davon wir rein für Social Media aufwenden, ist nicht exakt abzugrenzen. Über den Daumen gepeilt, beträgt der Aufwand für Social Media alleine ungefähr 80 – 100 Stellenprozente. Dabei rechne ich nicht nur das Community Management, die Erstellung eines Videos, sondern auch einen Anteil an Planung und die ganzen Auswertungen hinzu. Klar ist, dass wir integriert, also mit einer über alle Kanäle koordinierten Planung und dem angestrebten Multichannel-Marketing viel effizienter arbeiten können.
Hast du auch eine Content Strategie erarbeitet?
Angedacht ist, dass wir jetzt weg gehen von der Verantwortung für einzelne Kanäle und nach Themen vorgehen. Es werden Themen verteilt und dann wird geschaut, wo was in welchen Kanal verteilt wird. Wir werden also verstärkt themenfokussiert arbeiten und immer weniger nach Funktionsbereich trennen. Der Themenplanung ist für uns eine Herausforderung. Die Schwerpunkte aus dem Marketing, Kampagnen, bestehende Angebote und Produkte müssen erwähnt sein. Daneben gibt es Spezialfahrten und Events wie den Engadiner Marathon. Es ist meine Aufgabe, Verkauf und Content zusammenzubringen. Die Geschichten steuern wir übrigens durch die Inhalte unseres Magazins Contura. Das Magazin ist die Basis für die Contentplanung und -erstellung. Mit dem Contentplan haben wir den Überblick pro Jahr im Vorfeld. Wir wissen so, wann wir was pushen wollen und können im Monatsrhythmus publizieren und so den Prozess institutionalisieren.
Wie gut spielen die Abteilungen zusammen?
Es gibt immer Optimierungspotenzial in der Kommunikation. Bei gewissen Themen stehen wir vor der organisatorischen Schwierigkeit, dass die Unternehmenskommunikation und Marketingkommunikation nicht in der gleichen Abteilung sind. Nicht mal im gleichen Geschäftsbereich. In den meisten Fällen sind die Verantwortungen klar. Geht es aber beispielsweise um Twitter, treffen beide Welten aufeinander. Die Unternehmenskommunikation twittert heute eine Medienmitteilung zwar selbst, aber alles weitere können wir Social Media Manager dann oft nur mit Rücksprache mit der Unternehmenskommunikation beantworten. Wir finden immer einen Weg, doch gilt es hier, eng zusammenzuarbeiten und das Verständnis für die „neuen“ Kanäle zu vermitteln.
Wie sieht deine Vorstellung von Social Media in einem Unternehmen aus?
Es geht hierbei nicht darum, dass ein paar Menschen sich drum kümmern, sondern das ganze Unternehmen es lebt. Wenn ein Unternehmen sich dafür entscheidet, dann sollte es das ganze Unternehmen leben. Unser Rail Control Center zum Beispiel gibt Störungen an interne Verteiler weiter. Sie könnten diese doch direkt vertwittern. Das HR könnte ihr Arbeitgeber-Marketing auch selbst direkt über Social Media Channels verbreiten. Soziale Medien sind keine Instrumente des Marketings, sondern Instrumente, die im Idealfall jede Abteilung nutzt.
Wie vermitteltst du das Vertständnis intern?
Indem ich gewisse Teilaufgaben direkt an die Abteilungen übergebe. Ich sehe es als meine kleine, persönliche Mission an. So beantwortet der Railservice (unser Kundendienst) einen Teil unserer Anfragen auf Facebook. Oder die Unternehmenskommunikation twittert ihre Medienmitteilungen. Verschiedene Mitarbeiter der „Fläche“, also Lokführer, Gleisarbeiter, usw. haben den Zugang zu unserem Instagram-Account und posten eigenständig Fotos.
Wie sieht es mit dem Rückhalt aus der Geschäftsleitung aus?
Wir haben den Rückhalt aus der Geschäftsleitung und erhalten auch immer wieder Lob von ganz oben. Unser Unternehmen ist jedoch in über 100 Jahren gewachsen. Ich bin auf die richtigen Personen angewiesen, um diese Strukturen anpassen zu können. Wir sind gut unterwegs, doch braucht es stete Überzeugungskraft.
Die RhB ist bereits auf Instagram, viele andere Unternehmen kennen diese Plattform noch nicht. Was bringt sie Euch?
Für den Tourismus läuft dieser Kanal sehr gut. Wir können hier die Bahn in den schönen Bündner Bergen zeigen. Die Marke RhB ist für einen visuellen Kanal wie Instagram natürlich prädestiniert Unser Ziel ist es jedoch nicht, die perfekten Marketing-Bilder zu zeigen, sondern Ein- und Ausblicke von RhB-Mitarbietenden, ganz nach dem Motto „Wie take you on the ride through pardiese“. Entsprechend wird unser Account auch nicht vom Schreibtisch aus befüllt, sondern von verschiedenen Mitarbeitenden, die nach einem Briefing den Zugang bekommen haben und nun eigenständig Bilder hochladen. Mit einem jährlichen Instameet im RhB-Land und einem monatlichen Hashtag-Wettbewerb motiveren wir die Community, Bilder der RhB zu posten Instagram ist für uns ein rein Image bildender Kanal.
Vielen Dank, Manuela, für das Gespräch. Ich wünsche Euch weiterhin viel Erfolg.
Links dieser Artikelserie
- Social Media integrieren. Wie geht das? Das Praxisbeispiel der Baselland Transport (1)
- Social Media integrieren. Ist weniger Aufwand wirklich mehr? Das Interivew (2)
- Social Media integrieren. Wie macht es der Regionalverkehr Bern-Solotorn? Praxisbeispiel (3)
- Social Media im Dienst der Kunden: Mehr ist mehr, nicht nur beim öffentlichen Verkehr (5)
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