Social Media und Mobile StudieWelche Auswirkungen haben technologische Umwälzungen auf die Unternehmen in der Schweiz? Die Haupttreiber der digitalen Transformation sind zur Zeit Social Media, Mobile, Big Data/Analytics und die Cloud. Sie beeinflussen alle Bereiche eines Unternehmens und betreffen bestehende wie neu zu konzipierende Geschäftsmodelle. Die Capgemini Studie evaluierte die Nutzung zweier Treiber dieser Transformation bei Schweizer Unternehmen: Social Media Kanäle und die Mobilität.

 

«Nur wer Soziale Medien und mobile Technologien für sich und sein Geschäft einzusetzen weiss, kann auch von der digitalen Revolution profitieren und letztlich das Überleben sichern.»

 

Die These von Capgemini erinnert mich stark an Erik Qualmann’s Slogan aus dem Video Social Media Revolution 2010 «Social Media ROI is if your Business still exists in five years.»

Für die Studie wurden Social Media-Profile, mobile Websites und Smartphone Apps zwischen März und April 2013 von 71 Unternehmen aus sechs Branchen Unternehmen untersucht. Capgemini wählte dafür die zehn umsatzstärksten Schweizer Unternehmen pro Branche sowie ausgewählte Top-Marken aus.

Die wichtigsten Ergebnisse 

Ich habe die verfügbare vollständige Studie durchgelesen, die aus meiner Sicht relevanten Ergebnisse hervorgehoben und steure meinen Kommentar in kursiver Schrift bei:

  • Hauptaussagen der Studie: Die Unternehmen haben keine erkennbare Strategie, die über klassisches Marketing hinausgeht, sind durchschnittlich in drei Social Media Kanälen präsent, deren Potential sie bei weitem nicht ausnutzen und Twitter ist als Social Media Kanal beliebter als Facebook. Das Engagement der Schweizer Unternehmen in Social Media und Mobile war 2012 markant höher.

Diese Aussagen sind die Resultate dieser Studie und nicht auf die Mehrheit oder alle Schweizer Unternehmen übertragbar. Das mag logisch sein, doch ist es erwähnenswert, damit die Ergebnisse entsprechend beurteilt werden. Dass die Unternehmen im Vergleich zum letzten Jahr weniger aktiv sind erstaunt mich. Über die Gründe schweigt die Studie. Ob Social Media heute zielgerichteter statt anhand des Giesskannenprinzips eingesetzt wird?

  • Plattformen: 77 % der Unternehmen setzen Twitter ein, womit Facebook mit nur 73 % und Youtube mit 70 % überholt sind. Youtube wird am stärksten (Anm. der Red. am offensichtlichsten?) für Marketingzwecke genutzt. Dass Twitter das Rennen macht, sei deshalb, dass Facebook als privates Netzwerk genutzt werde und Twitter auch ausserhalb.

Die ZHAW / Bernet Studie wies im Gegensatz zu dieser Capgemni aus, dass 49% Twitter und 84% Facebook nutzen. Der Unterschied liegt meines Erachtens unter anderen in der Stichprobe: Capgeminni untersuchte 71, Bernet 655 Unternehmen der Schweiz. Die umsatzstarken Unternehmen und Top-Marken setzen Twitter stärker als Informationskanal sowie für den Kundenservice ein als die von Bernet befragten Unternehmen, die im Frühjahr 2013 aus einem knappen Drittel aus KMUs bestanden.

Erwähnenswert bei dieser Differenzierung von Twitter und Facebook ist, dass Twitter schneller und medienwirksamer ist als Facebook. Twitter ist eine effiziente «Linkschleuder» bei der Verbreitung von Informationen. Die Unternehmen tun gut daran diese zu bedienen. Dass Facebook überholt wurde, werte ich als positives Zeichen: Offensichtlich haben die Unternehmen die Kanäle – apropos Strategie – bewusst gewählt. Dies könnte widerspiegeln, dass Facebook nicht für alle Unternehmen die passende Plattform ist. Dass Twitter bei den Unternehmen generell beliebter sei, wage ich trotz persönlicher Bevorzugung, zu bezweifeln. 

  • Branchen: Die Finanz und Dienstleistungen/Logistik ist in dieser Umfrage in den sozialen Medien wie in Mobile führend.

Dass bei den umsatzstärksten Unternehmen Finanz, Dienstleistungen und Logistik mobile Apps stark vertreten sind, erstaunt mich nicht wirklich. Jedoch überrascht mich, dass die Medien- und Unterhaltungsbranche im Vergleich zum Vorjahr nachgelassen hat. Was wohl die Gründe dafür sind?

  • Neue digitale Geschäftsmodelle sind hierzulande rar, die Best Practice Beispiele im internationalen Umfeld zu suchen.

Schade, doch eine hervorragende Chance für die Start-ups, die in der Pipeline stehen. Traditionelle Unternehmen sollten wachsam sein. 

Mobile

Die Studie untersucht die Präsenz auf mobilen Plattformen, inklusive der mobilen Websites. Ausserdem wird das Kriterium „mobile“ bei der Bewertung der Funktionsbreite mit einbezogen.

  • Nur 32% der Unternehmen bieten eine für mobile Anwendungen optimierte Website an.
  • Mobile Apps: Unternehmen nutzen mobile Apps fokussierter als Social Media. Apps werden mehr als Social Media für Customer Interaction genutzt. Dieses Ergebnis hat mich sehr erstaunt, denn Interaktion ist das tägliche Brot der Sozialen Medien. So fragte ich bei  Dr. Guido Kamann, Vice President bei Capgemini, nach. Seine Antwort:
    «Social Media werden ebenfalls für die Interaktion mit Kunden genutzt, doch werden Apps für die Übertragung weiterer Formate (Daten-Exchange, Transaktionen E-Commerce/Sales) eingesetzt.»  
    Customer Interaction wird als «Verbesserung des Kundenservice durch erweitertes Wissen über den Kunden und direkte, unmittelbare Reaktionen sowie die Reduzierung der Kosten des Kundenservice plus Support in Online-Communities definiert»

Glücklicherweise bieten Apps nicht so viel Möglichkeiten sich zu verzetteln.  Doch werden hier m.E. Äpfel, mit Birnen und Nüssen verglichen, denn schliesslich geht es bei Social Media und Mobile oft um eine andere Form der Technik, der Kommunikation und deren Einsatz.

  • 80 % der Unternehmen, die Mobile Apps nutzen, verwenden iOS als Betriebssystem, 46 % Android und erst 5 von 71 bieten eine App für Windows an.

Verständlich: iOS beinhaltet durch die deren einheitliches Format bei Mobiles weniger grosse Herausforderungen, geringere Kosten und weniger Programmier-Probleme. Zudem kaufen iPhone Nutzer kaufen mehr Apps und gelten generell als ausgabefreudiger. Andererseits besteht Handlungsbedarf, denn die Mehrheit der Schweizer nutzen Android-Smartphones.

  • Start der Banken: Bei den Banken und Finanzdienstleistern sind erste Mobile Lösungen zu sehen. Bei ihnen ist die Funktionsbreite im Branchenvergleich am höchsten.
  • Rekord: Schweizer haben durchschnittlich 19 kostenpflichtige Apps installiert, mehr als in jedem anderen Land (Ergebnis aus einer Drittquelle).

Eine Korrelation ist bestimmt vorhanden: Die Schweiz ist eines der reichsten Länder.

Die Gewinner und Best Practice Beispiele

  • Die Swisscom und Coop belegen insgesamt die ersten beiden Plätze. Im Bereich Social Media liegt die Swisscom knapp vor SBB und Migros.
  • Bei der Funktionsbreite im Mobile führt Coop vor der SBB, der Post und Zurich Insurance Group.
  • Die SBB bleibt in dieser Bewertung mit der Post und Zürich auf Platz zwei, obwohl die SBB iPhone App in anderen Umfragen die beliebteste App ist. 

Als Best Practice Beispiel stellte Capgemini Axa Winterthur für Financial Services dar, weil sie mit einer ganzheitlichen Social Media Strategie brillieren und ihre Profile aktiv und professionell pflegen. Die Zurich durfte das Attribut «best practice» bei den mobilen Dienstleistungen entgegen nehmen, weil Apps (Zurich HelpPoint, ZConnect, Investor and Media App, Zurich Vitaparcours Guide) ihre Anspruchsgruppen gezielt unterstützen.

In der Branche der Life Sciences, die in allen Bereichen unterdurchschnittlich abgechnitten hat, gewinnt Roche mit ihrem geschickten Social Recuriting.

Die Migros hat die Nase bei den Konsumgüterindustrie vorn: Sie ist eines der wenigen Unternehmen, die die User bzw. Kunden in den Innovationsprozess einbinden. Coop führt im Mobile Shopping und verfügt damit über die höchste Funktionsbreite an mobiler Nutzung im Gesamtvergleich (Funktionsbreite 3.0 von 5.0)

Liebherr, das Familienunternehmen für Haushaltsgeräte darf den ersten Platz für Social Media im Bereich «Energy, Manufacturing & Resources» einnehmen. Die ABB steht dort Mobile «ihren Mann» und darf u.a. dank deren geschicktem Einsatz von Wizards, Kameras, Augmented Reality und Sharing Funktionen glänzen.

Im Bereich Technologie, Media & Entertainment gewinnt Swisscom den Social Media Rang 1, Orange in bezug auf die Mobilität.

Die SBB führt im Bereich Services & Logistik bei den Sozialen Medien an, die Post bei Einsatz der Apps und der mobil optimierten Website.

Zur Bewertungsgrundlage

Die nachstehenden Unternehmensziele wurden als Grundlage fürs Benchmarking genommen. Anhand diesen Zielen wurde die Nutzungsintensität für Social Media, sowie die Präsenz und Funktionsbreite für Mobile (Apps) bewertet.

  • Marketing
  • Sales
  • Recruiting
  • Open Innovation
  • Customer Interaction

Dass die Ziele und das Bewertungsschema für Social Media und Mobile und Mobile Apps in einen «Atemzug» genannt werden finde ich ungünstig. Eine separate Aufführung der Social Media, der mobilen Websites und der Apps wäre verständlicher. Die Bewertungskriterien Nutzungsintensität die Qualität der Inhalte, die Frequenz der Updates, Kundeneinbindung (Dialog), Marktdurchdringung und Präsenz stellen eine solide Basis für die Untersuchung dar. Für Mobile könnte bei einer separater Anschauung eine andere Zusammensetzung der Kriterien interessieren. 

Mein Fazit

  • Keine Neuigkeit: Erkennbare Strategien – noch dazu solche, die übers klassische Marketing hinausgehen – fehlen. Potenziale bleiben bisher unausgeschöpft.
  • Neue digitale Geschäftsmodelle sind rar: Digitalisierung als Megatrend wurde erkannt, doch hat die digitale Revolution noch nicht stattgefunden, d.h. die neuen Medien bilden erst bestehende Geschäftsmodelle ab, haben jedoch noch (zu wenig) dazu geführt, dass neue Geschäftsmodelle aufgrund der neuen Technologien entwickelt wurden.
  • Lösungen in Recruiting und Open Innovation sind im Mobile Business kaum vorhanden.
  • Was mir gefällt:  Neue, spezielle Technologien wie z.B. Augmented Reality werden nutzenbringend eingesetzt. 
  • Last, but not least: Statistiken sind mit Vorsicht zu geniessen. Die zehn umsatzstärksten Schweizer Unternehmen pro Branche sowie ausgewählte Top-Marken zu befragen, ergeben ein anderes Bild als z.B. die ZHAW/Bernet Studie, die 655 Unternehmen – ohne Mobility – umfassten. Zu überprüfen sind, je nach gewünschter Verwendung dieser Resultate, die Anzahl und Stichprobe der Untersuchten Befragten, Bewertungsgrundlagen sowie Kriterien. Ergebnisse aus Statistiken sind ohne deren Herleitung genau zu kennen, in hohem Masse missverständlich (zum Beispiel die Aussage: «Twitter ist als Social Media Kanal beliebter als Facebook», aber auch wie auf der Infografik zu lesen: «Twitter is the most widespread social media channel among Swiss corporations»)

 

Was halten Sie von dieser Studie? Was sagen Sie zu deren Ergebnissen? Sind Social Media und Mobile zwei getrennte Bereiche – oder wachsen sie eh zusammen und bedürfen deshalb keine separate Berücksichtigung? 

 

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