Tweet1_GuidelinesDie getwitterten Worte von Clemens M. Schuster (alias @hofrat)„Wer 2011 noch immer Social Media Policies & Guidelines braucht, sollte gar nicht erst damit beginnen“, bringen mich dazu, den Sinn und Unsinn von Guidelines in diesem Blogartikel zum Thema zu machen. Sie waren die Antwort auf einen Tweet von mir mit einem Link auf den Blogartikel „Die drei Dimensionen von Social Media Policy“, in dem es um das strategische Potential von Social Media Policies und Guidelines für die öffentlichen Verwaltungen geht. Daniel Graf (@dani_graf), Mediensprecher bei Amnesty International, hatte ihn weiter empfohlen.

Social Media GuidelinesClemens Schuster, Social Media Manager bei World Vision Schweiz, schob den 2. Punkt von Richard Gutjahr’s Tipps nach: „Verbrennen Sie Ihre Guidelines“. Er selbst hatte seine für World Vision Schweiz ausgearbeiteten Guidelines im August dieses Jahres vorgestellt. Ein Widerspruch? Die angekündigte Selbstkritik? Zeichnet sich bei World Vision bereits zwei Monate später ab, dass sie nichts bringen? Gerne rege ich hier die weitere Diskussion über den Sinn und Unsinn von Policies und Guidelines an.

Als erstes gehe möchte ich die Begriffe klären: Social Media Policy und Guidelines werden oft synonym gebraucht; sie sind jedoch nicht dasselbe.

Was ist eine Social Media Policy?

Eine Policy beantwortet die Fragen zur übergeordneten, strategischen Ausrichtung des Unternehmens. Die Social Media Policy offenbart, welche Grundhaltung ein Unternehmen im Umgang mit den sozialen Medien einnimmt. Gegenstand einer Social Media Policy können sein:

  • Was bedeutet Social Media für das Unternehmen?
  • Wie lautet die Social Media Strategie der Unternehmung?
  • Welche Ziele wurden für das Engagement des Unternehmens in den sozialen Medien gesteckt? Welcher Aktionsradius gilt dabei für die Mitarbeitenden?
  • Wer ist verantwortlich für die Einführung und das Management der sozialen Medien an den Arbeitsplätzen?
  • Was ist grundsätzlich nicht erlaubt? Welches sind die generellen “Verbote”
  • Wie ist die Organisation aufgebaut und wie sollen die sozialen Medien eingesetzt werden?
  • Werden die Mitarbeitenden in ihrem Verhalten in den sozialen Medien überwacht? Wie? Welche rechtlichen Vorschriften sind dabei zu beachten?
  • Welche Richtlinien (Guidelines) sollen für die Mitarbeitenden im Umgang mit den sozialen Medien gelten?
  • Welches sind die Konsequenzen, wenn die Policy übertreten wird? Um Sanktionen aussprechen und durchsetzen zu können, müssen die Mitarbeitenden die Policy unterschreiben und damit erklären, dass sie sie gelesen und verstanden haben.

Was sind Social Media Guidelines?

Guidelines sind überschaubare, operative Handlungsempfehlungen, die aus der Policy erarbeitet werden. Sie werden den relevanten Bezugsgruppen, in der Regel als erstes den Mitarbeitenden, abgegeben.

Die Guidelines sollen die Mitarbeitenden darin unterstützen, wie sie mit den sozialen Medien umgehen sollen. Es sind Leitlinien, die das Spektrum des erstrebenswerten Verhaltens der Mitarbeitenden aus Sicht der Unternehmung darstellen und auch von den Gefahren für die Mitarbeitenden selbst warnen sollen. Sie klären auf, geben Orientierung, ermutigen, bauen Unsicherheiten ab, warnen vor Gefahren, zeigen Handlungsspielräume auf und weisen auf geltende Regeln hin.

Guidelines

  • erklären die Ziele des unternehmerischen Engagements
  • fordern zu Transparenz auf, dass sich jeder Mitarbeitende zu erkennen gibt.
  • bitten darum, dass klar gestellt wird, wann aus der persönlichen Sicht geschrieben wird
  • erinnern an den einzuhaltenden Respekt, die Netiquette auch online
  • weisen auf die Vertraulichkeit von Geschäftsgeheimnissen hin
  • erinnern an das Urheberrecht und daran, Quellen anzugeben
  • machen darauf aufmerksam, dass Mitarbeitende für jegliche Äusserungen verantwortlich sind
  • weisen auf allfällige Beschränkungen der privaten Nutzung im Geschäftsleben hin
  • machen auf verbindliche Anweisungen (oder Hinweis, wo sie zu lesen sind) aufmerksam
  • zeigen allfällige Konsequenzen bei Missachtung auf
  • teilen die zuständigen Ansprechpartner mit

Wie sollen Guidelines formuliert sein?

Wenn ein Unternehmen möchte, dass die Mitarbeitenden Markenbotschafter in den sozialen Medien werden, ist es von Vorteil, wenn die Guidelines:

  • einfach und klar
  • verständlich und nachvollziehbar
  • mit einem freundlichen Unterton geschrieben

sind,

  • unterstützend und nicht verbietend wirken
  • zum erbaulichen Social Media Engagement ermuntern
  • nicht sakrosankt sind, sondern diskutiert werden dürfen
  • und von den Mitarbeitenden selbst erarbeitet wurde.

Wenn Guidelines nicht akzeptiert werden, kann geschehen, dass ein Mitarbeiter seinem Unmut öffentlich Luft macht, was gar nicht so häufig ist. Die Einführung der sozialen Medien in den Medien scheint kein einfaches Unterfangen zu sein, wie der Journalist Online am Beispiel des ARD ausführt. Richard Gutjahr bringt es auf den Punkt: „Verbrennen Sie Ihre Guidelines!“, rät er den Online-Journalisten als zweiten Tipp in seinem Blogartikel: „7 ultimative Tipps für Journalisten, damit Sie auch morgen noch einen Job haben“:

Können Unternehmen darauf verzichten?

Reicht gesunder Menschenverstand im Umgang mit den sozialen Medien aus? Meines Erachtens reicht ein Kleber für die Mitarbeitenden mit der Aufschrift „Sei kein Idiot“ nicht. Allenfalls als provokative Headline, als Teaser auf Twitter, die Lancierung eines Blogartikels oder für einen Kampagnenstart.

Bei einem neuen „Spiel“ wie Social Media, sollte den Mitspielenden, die noch nicht damit vertraut sind, die Spielregeln transparent gemacht werden. Wenn sich eine Unternehmung ein bestimmtes Verhalten von ihren Mitarbeitenden wünscht, ist es nichts weiter als fair, sie darüber zu informieren, welches Verhalten es ist und womit sie rechnen müssen, wenn sie diese Erwartungen, Wünsche oder Anweisungen nicht erfüllen.

Jedes System ist nur so gut, wie es umgesetzt wird. Genau so ist es mit Weisungen, Richtlinien, Guidelines und Leitbildern. Die Erstellung, Einführung und Umsetzung entscheidet massgeblich darüber, wie sie akzeptiert werden.

Wie kommunizieren Unternehmen ihre Guidelines?

Wie die Guidelines formuliert sind und wie sie eingeführt werden – beides ist beachtenswert. Schauen wir uns die folgenden Praxisbeispiele an:

Vorbildlich bei der Einführung ihrer Guidelines in drei Ländern ging Caritas vor, indem sie den Entwurf ihrer Policy und Guidlines auf ihrem Blog publizierten und kommentieren liessen. Ihr Versuch, ihre Bezugsgruppen einzubeziehen und Feedback zu erhalten, glückte. Die eingeflossenen Kommentare, unter anderem auch, dass strategische Überlegungen und Guidelines zu trennen seien, wurden verdankt und publiziert.

Otto, eines der bekanntesten Unternehmen des Versandhandels erlaubt den Mitarbeitenden explizit, positiv wie negativ über das Unternehmen zu schreiben, wie Thomas Euler in seinem lesenswerten Artikel auf PR-Blogger.de berichtet. Dies zeugt von einem grossen Selbstvertrauen der Unternehmung und verhilft ihr zu mehr Glaubwürdigkeit nach innen und aussen. In Otto’s Richtlinien werde bewusst nicht gemassregelt.

Ein Vorzeige-Beispiel, wie Mitarbeitende über die geltenden Social Media Usanz informiert werden, ist die Krones AG . Sie druckte „Tipps for Social Media“ für ihre Bezugsgruppen (Mitarbeitende, Lieferanten, Partner, Medien usw.) und publizierte sie auch auf den sozialen Netzwerken (Twitter, Facebook, usw.). Sie zeigte in einem gut aufgemachten und auf Youtube öffentlich zugänglichen Video auf, mit welchem Bewusstsein Mitarbeitende von Krones die sozialen Netzwerke nutzen sollte: „You are Krones!“. Während der Arbeitszeit dürfen bei Krones die sozialen Medien übrigens genutzt werden, doch stellt das Unternehmen klar: nur für geschäftliche Zwecke!

Namics publizierte Guidelines, die keine sein sollten. Der Begriff Guidelines wurde bei Namics kurzerhand gestrichen, da er der offenen Kultur und dem Verständnis der Mitarbeitenden nach zu weit in Richtung Anweisung ging. Sie publizierten den „Social Media Starter – der keinesfalls Guideline sein wollte“. Namics ist für mich einerseits ein schönes Beispiel dafür, wie wichtig die Formulierung bei der Einführung ist. Andererseits zeigt es exemplarisch das Unbehagen, das mit Guidelines, d.h. Richtlinien und Anweisungen verbunden ist. Inhaltlich unterscheiden sich ihre Guidelines nicht von anderen guten Beispielen.

Die Guidelines von World Vision Schweiz wurden im Kommunikationsteam erstellt und diskutiert, von der Geschäftsleitung abgesegnet und dann den Mitarbeitenden vorgestellt. Bei der Einführung diente ihnen Tschibo‘s unterhaltsames Video: „Herr Bohne geht ins Netz“.

 

Die Guidelines des Schweizer Radio und Fernsehens beinhalten klare Anweisungen. Die Konsequenzen, wenn diese nicht eingehalten werden sind unmissverständlich dargelegt: „SRF behält sich das Recht vor, allfällige Zuwiderhandlungen dieser Richtlinien zu ahnden und Veröffentlichungen, welche das Image von SRF gefährden, zu löschen. Dazu gehören auch nicht oder schlecht bewirtschaftete Auftritte.“ Inhalt und Tonalität dieser Guidelines lassen vermuten, dass es nicht deren Ziel war, die Mitarbeitenden zur Nutzung der sozialen Medien zu motivieren. Die für die Schweiz repräsentative Marktstudie „360° Touchpoint Efficiency Valuator“ ergab, dass Journalisten für ihre Arbeit am meisten verschiedene Medien nutzten.  Ob ein freundlicherer Unterton das Einhalten der Anweisungen der gebildeten Journalisten im Umgang mit Medien untergraben hätte, wage ich dennoch zu bezweifeln.

Die am attraktivsten verpackten Guidelines entdeckte ich durch Twitter (via @SueWestCom). Sie sind aufwändig gestaltet, machen jedoch Spass zu lesen. Eine Optimierungsmöglichkeit für den SRF wie den ARD? Leider sind sie nicht atttraktiv, was deren Kosten angeht. Das Verbrennen würde allerdings etwas schwerer fallen.

Jedes Unternehmen hat ihre eigene Kultur, die sich auch darin offenbart, wie sie Richtlinien erstellt und einführt. Die erhöhte Transparenz durch die sozialen Medien zeigt dies heutzutage noch deutlicher auf. Wer für die Kommunikation zuständig ist, ist gefordert, diesem Umstand Rechnung zu tragen. Die Reputation kann auch dadurch weiter aufgebaut oder geschädigt werden.

Leitlinien gepaart mit Eigenverantwortung

Das Engagement in den sozialen Medien ist keine rein berufliche Angelegenheit, doch oft auch keine rein private. Mitarbeitende twittern, posten und tauschen, was und wann sie wollen, auch über ihren Arbeitgeber. Die mobilen Applikationen erleichtern dies. Eine reine Top-down-Kommunikation hat gute Chancen kontraproduktiv zu wirken. Das Ziel sollte die Akzeptanz der in den Guidelines transportierten Botschaften sein und dementsprechend erstellt und eingeführt werden. Unternehmen, welche die Plattformen zur internen Nutzung freigegeben haben, zählen auf die Eigenverantwortung der Mitarbeitenden und die Führungskompetenz der Vorgesetzten.

Sollte ein Unternehmen Fehlverhalten auf irgendwelche Weise sanktionieren – muss dies vorgängig kommuniziert sein. Idealerweise in den Kommunikationsgrundsätzen, einem separaten Anhang zum Arbeitsvertrag oder einem für das Unternehmen gängigen Regelwerk.

Guidelines ohne Anweisungen sind unter Unternehmen die verbreitetesten, wie eine Medienbeobachtung von 55 untersuchten Social Media Guidelines ergab. Zwei Drittel aller Regelungen sind für die Mitarbeitenden bindend. Ein Drittel aller Arbeitgeber droht bei Nichtbeachtung der Social Media-Guidelines mit Konsequenzen.

Social Media Guidelines können sehr hilfreich sein. Einen ihrer wichtigsten Dienste, die Auseinandersetzung mit dem Thema ist bereits getan, wenn die Guidelines so eingeführt wurden, dass sie von den Bezugsgruppen akzeptiert werden. Sie werden mit Vorteil schriftlich festgelegt, um Unternehmen wie Mitarbeitenden zu ermöglichen, sich bei Unstimmigkeiten darauf zu beziehen.

Der gemeinsame Nenner zwischen dem Sinn von Guidelines und Gutjahr’s Rat:

Guidelines müssen zuerst erstellt sein, bevor sie verbrannt werden können! Wenn mal sie verinnerlicht sind, dann können sie getrost das Zeitliche segnen.

Wie ist Ihre Meinung dazu: Sind Guidelines sinnvoll oder nicht? Was braucht es Ihrer Meinung nach, damit Guidelines akzeptiert und eingehalten werden? Welche Guidelines sind Ihrer Meinung nach vorbildlich? 
 

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