(SRF) Daniel Segmüller habe ich am Gstaad Alp Social 2012 (#gas2012) kennen gelernt. Er gehe an solche Social Events jeweils, um die Menschen, die mit dem SRF immer wieder in Kontakt stehen, persönlich kennen zu lernen. Der Social Media Auftritt des Radio DRS war mir bekannt vom Social Media Gipfel Zürich (#smgzh), an welchem Martin Oswald, Leiter der Webredaktion DRS3 deren Ziele, Strategie und Best Practices vortrug. Von Daniel Segmüller erfuhr ich, wie er als Kundendienstleiter die Sozialen Netzwerke für das SRF einsetzt. Ich interviewte ihn im Studio Leutschenbach, bei welchem er mir detaillierte Auskunft darüber gab, wie sie täglich das Netz durchforsten, die Feedbacks auswerten und rapportieren.

Daniel Segmüller, wann begann SRF in den Sozialen Medien aktiv zu sein?

Einzelne Sendungen wie zum Beispiel «Jeder Rappen zählt» haben schon vor rund vier Jahren mit einer Facbook-Seite begonnen. Mittlerweile sind es 80 Facebook-Fanpages, die so bis heute nach und nach erstellt wurden. Beim grossen Relaunch Ende dieses Jahres, bei dem − im Sinne der Konvergenz − Radio- und TV-Inhalte online unter einem Dach vereint werden, werden wir versuchen, einige dieser Accounts zusammenzulegen. Vor zweieinhalb Jahren startete der Kundendienst SRF mit einem eigenen Twitter Account und auch mit dem Monitoring der Social-Media-Plattformen. Heute verzeichnen wir rund 15 – 20‘000 Nennungen pro Monat zum Thema Schweizer Radio und Fernsehen (Unternehmen, Sendungen, Personen etc.), davon sind 60-70 Prozent von Twitter, 15 Prozent von Online-News-Seiten, 6 Prozent von Blogs und Foren, 10 Prozent von Facebook und ein Prozent von Youtube.

Worüber wird am häufigsten geschrieben? Sind es eher Meinungen über Sendungen oder politische Debatten?

Auf Twitter, Facebook und in Foren wird vor allem über Sendungen, Moderatoren und Moderatorinnen geschrieben. Es wird gelästert, gelobt, kritisiert, kommentiert und immer wieder auch kritisch analysiert. Manchmal werden auch Vorschläge gemacht, wie eine Sendung besser geworden wäre, wenn …

Welche Konsequenzen folgen, wenn eine Sendung beim Publikum nicht ankommt?

Wir haben mal eine Kochsendung schon nach drei Sendungen eingestellt, weil das Feedback so schlecht war. Allerdings waren auch unsere Vorgaben nicht erfüllt, so dass wir die Sendung nicht weiterlaufen liessen.

Werden bestimmte Sendungen in den Sozialen Medien besonders gut aufgenommen?

Zu diesen Sendungen gehört bestimmt der sonntägliche «Tatort». Beim ersten Schweizer «Tatort» (nach dem Wiedereinstieg in die Koproduktion) hagelte es Tweets zum Thema «unmögliche Synchronisation», «schlechter Plot» und «miserable Schauspieler». Die Twitterer machten ihrer Unmut so richtig Luft! Mittlerweile verzeichnen wir rund 3000 Tweets zu einem Schweizer «Tatort». Beispiel «Tatort: Skalpell» vom 28.5.2012:

 

Offensichtlich kann man es heutzutage bereits Usanz nennen, dass der «Tatort» nicht nur geschaut, sondern auch parallel dazu vertwittert wird. Uns freut‘s. Weniger Freude haben die deutschen Zuschauer, die den «Tatort» ca. 10 Minuten verzögert schauen müssen. Denn sie lesen die Tweets der Schweizer «Tatort»-Fangemeinde über den Krimi, bevor sie ihn auf ihrem Sender (ARD) sehen können. Deshalb kommt es immer wieder auch zu lustigen «Missverständnissen» …

Welches sind Eure Ziele, die Ihr mittels Monitoring erreichen wollt?

Das oberste Ziel für uns ist, dass wir das Feedback unserer Kunden erhalten. Wir wollen jeweils sehr genau wissen, was beim Publikum ankommt und was nicht. Unser tägliches Monitoring ist für uns zudem das beste Früherkennungs-Warnsystem, das uns aufmerksam macht, wenn etwas aus dem Ruder läuft. Beispielsweise haben wir den Hinweis, dass es vor ein paar Monaten während eines Donna-Leon-Krimis einen Tonausfall gab, via Twitter erfahren. So konnten wir sofort die betroffenen Stellen informieren und noch grösseren Schaden verhindern. Nebst der Problemlösung auf technischer Seite, ist es aber auch sehr wichtig, zeitnah auf Twitter darüber zu informieren, auf Anfragen zu antworten und sich beispielsweise auch zu entschuldigen. Überhaupt ist es unser oberste Devise, in den sozialen Netzwerken schnell und offen zu reagieren. Bewusst wollen wir uns davor bewahren, in einem Glashaus zu leben, und suchen den Kontakt zu den Menschen, denen das Schweizer Radio und Fernsehen am Herzen liegt.

Die grösste Herausforderung, auf Twitter mit unserem Publikum zu kommunizieren, besteht darin, eine Botschaft oder eine Beantwortung einer Anfrage in 140 Zeichen knackig auf den Punkt zu bringen. Das ist die Kunst, in der wir uns täglich üben.

Welches Tool habt Ihr für das Monitoring gewählt?

Wir verwenden seit zweieinhalb Jahren das kanadische Produkt Sysomos Heartbeat, auf das uns Mike Schwede, der damals noch bei Orange8 war, aufmerksam gemacht hat. Bei der Evaluation stand Sysomos für uns klar als Sieger neben Radian6 und Netbreeze da. Radian6 war in seinen Funktionalitäten viel zu «sophisticated», zudem schien uns die Quellenabdeckung etwas mangelhaft. Netbreeze war damals noch in den Anfängen und konnte vieles nicht erfüllen, was uns für das Monitoring wichtig war. Wir sind mit unserem Monitoring-Tool Sysomos wirklich sehr zufrieden. Es entspricht am besten dem, was wir brauchen und für was wir dieses einsetzen.

Was tut Ihr genau? Wie wertet Ihr die Ergebnisse aus?

Wir scannen mit dem Monitoringtool 6 – 8 Mal täglich die sogenannten «Heartbeats» zu Schweizer Radio und Fernsehen auf Twitter, Facebook, Blogs, Foren und Online News und überprüfen, ob sie auch tatsächlich das Schweizer Radio und Fernsehen betreffen oder nicht. Falsche Treffer werden gelöscht und falsch verschlagwortete mit den richtigen Schlagworten versehen. Die grosse Arbeit besteht darin, in Online-News-Artikeln die Kommentare zu lesen und händisch eine Auswertung zu machen, wie viele Bemerkungen positiv, negativ oder neutral sind sowie eine Zusammenfassung der Kommentare zu machen. All dies fliesst dann in unser Reporting ein und wir können dadurch relativ genau aufzeigen, was unserem Publikum unter den Nägel brennt oder wie Sendungen und Moderatoren bei unseren Zuschauern und Zuhörern wahrgenommen werden.

Gibt es von Euch Wünsche an ein ideales Monitoring-Tool, die offen geblieben sind?

Die automatische Sentimentsanalyse ist bei allen bisher von mir geprüften Monitoringtools nicht brauchbar, so auch bei Sysomos. Vielleicht müssen wir momentan einfach damit leben, dass die zuverlässigste Sentimentanalyse nur durch den Menschen erfolgen kann. Auch bei der Darstellung und Zusammenfassung von Reports sind sicher noch nicht alle Wünsche befriedigt. Mir schweben immer noch Reportingtools vor, die − wie beispielsweise bei «Storify» − Inhalte aus verschiedenen Onlinequellen bündeln und in neuer, gesammelter und intelligenter Form darstellen können. Das grösste Ärgernis betrifft allerdings nicht das Monitoringtool selbst: Wir müssen die Kommentare von Online-News-Artikeln, auf Blogs und in Foren oder Facebook-Posts einzeln zählen und ein Sentiment setzen. Das ist sehr mühsam und zeitraubend, vor allem, wenn es – wie es des Öftern passiert – mehrere Hundert Kommentare auf einen Online-Artikel gibt. Weil die einzelnen Kommentare keinen eigenen Seitennamen besitzen, können sie deshalb auch nicht einzeln getrackt werden. Also recht viel Handarbeit.

Wie viele Mitarbeitende sind im Kundendienst mit dem Social Media Monitoring beschäftigt?

Im Kundendienst sind wir drei Personen − zwei Mitarbeiterinnen und ich − , die diese Aufgabe übernehmen. Das gesamte Social Media Handling, Bewirtschaftung Twitteraccount @SRFKundendienst sowie das Monitoring und Reporting, macht im SRF-Kundendienst zirka eine Vollzeitstelle aus.

Was rapportiert Ihr an wen?

Monatlich fassen wir die Ergebnisse aus dem Monitoring und unsere Erkenntnisse daraus in einer Publikumsresonanz zu Handen der Geschäftsleitung und betroffenen Sender- oder Redaktionsleitungen zusammen. Hinzu kommen regelmässig Spezialreports zu Grossanlässen oder Spezialsendungen, wie z.B. «Jeder Rappen zählt», «Treffpunkt Bundesplatz» oder wie gerade gestern über die erste Folge der Serie «Gipfelstürmer», die von Redaktionen oder Abteilungen gewünscht werden. Bei allen Publikumsresonanzanalysen werden nebst den Ergebnissen aus den verschiedenen Social-Media-Plattformen immer auch die Feedbacks unseres Publikums aus den klassischen Feedbackkanälen wie Mail und Telefon gegenübergestellt. Dies ist sehr wichtig, weil die Analyse aus diesen beiden Vektoren − klassisch und Social Media − oft diametral verschieden ausfallen, weil die beiden Vektoren völlig verschiedene demografische Strukturen haben.

Welche Learnings möchtest Du anderen KMUs gerne als Tipps mitgeben?

Der wichtigste und erste Schritt ist, eine Strategie für das Social Monitoring zu haben. Was soll mit dem Monitoring erreicht werden und wozu soll es eingesetzt werden: will man «nur» das eigene Unternehmen quantitativ oder qualitativ beobachten oder will man auch aktiv – im Sinne des Engagements – in Diskussionen eintreten und proaktiv Fragen, die auf Social Media Plattformen auftauchen, beantworten? In einem zweiten Schritt muss dann das geeignete Monitoring-Tool gefunden werden. Und dann beginnt die wahrscheinlich schwierigste Phase, die über Erfolg oder Misserfolg des Social Media Monitorings entscheidet: Das Erstellen von tauglichen Suchstrings. Es dauerte Monate, bis wir die Suchbegriff, die wir für ein aussagekräftiges Monitoring brauchten, definiert haben und Suchstrings so verfeinert hatten, dass das die Resultate für uns für uns brauchbar waren. Nur als Beispiel: unter SF wollten wir nicht Science Fiction oder San Francisco finden, sondern nur das Schweizer Fernsehen, und zwar Beiträge auf Deutsch wie auch Englisch. Wenn diese Feingranulierung der Suchstrings nicht gut gemacht wird, wird das tägliche Monitoring zu Höllenqual. Deshalb mein Tipp: genügend Zeit und Geduld in die Definierung der Suchstrings einsetzen, denn diese zwar mühsame und aufwändige Arbeit zahlt sich im darauffolgenden Monitoring tausendfach aus.

Für die offenen Gespräche danke ich Dir herzlich! 

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