Wenn ein KMU sich für den Einsatz in den Sozialen Medien entschieden hat, wird oft gleich mal eine Facebook-Seite erstellt. Die ersten Erfahrungen werden gesammelt. Learning by doing. Braucht ein KMU wirklich zuerst eine Social Media Strategie? Und worauf ist bei der Einführung der Sozialen Medien in einem KMU zu achten? Gaby Roos, verantwortlich für die Kommunikations- sowie Aus- und Weiterbildungsprojekte bei der Nova Energie GmbH,  berichtet über die Lehren, die sie aus ihrer Strategie-Findung und -Umsetzung für ihren Arbeitgeber gezogen hat.

Die Nova Energie GmbH ist eine kleine Energie- und Umweltberatungsfirma, die sich in den Bereichen Energieeffizienz und erneuerbare Energien etabliert hat. Sie beschäftigt 25 Mitarbeitende an den drei Standorten Aadorf, Aarau und Basel. Gaby Roost erarbeitete anlässlich ihrer Masterarbeit des Studiengangs Multimediaproduction and Journalism (MMP) der HTW Chur deren Social Media Strategie. Als Fachreferentin hatte ich die Ehre, ihre Masterarbeit zu begutachten und beurteilte sie als exzellent. Ein paar Monate später präsentierte die Nova Energie den Relaunch ihrer neuen Website mit integriertem Blog, Twitter-Account und allem, was strategisch geplant war.

Gaby, ich gratuliere Dir nochmals herzlich zur erfolgreichen Umsetzung deiner Strategie in der Praxis. Was hat Dich dazu animiert, die Strategie für Nova Energie in Deiner Masterarbeit anzugehen? 

Danke, mein Anliegen, mich in der multimedialen Kommunikation weiterzubilden, ist – trotz Skepsis des Arbeitgebers gegenüber dem Nutzen – sowohl finanziell als auch arbeits-organisatorisch unterstützt worden. Aufgrund der Unterstützung der Firma habe ich mich entschlossen, ein Masterthema zu wählen, das uns nützt und sich umsetzen lässt. Dies nicht zuletzt, um als kleines Unternehmen den Anschluss an die neuen Kommunikationsmöglichkeiten der Sozialen Medien nicht zu verpassen.

Beurteilst Du das Engagement in den Sozialen Medien für ein kleines Unternehmen als zwingend?

In unserem Falle sicher. Wir sind Fachleute für das Thema Energie. Unsere Kernkompetenzen sind die Vermittlung von Wissen und die Erfahrung bei der Umsetzung innovativer Energieprojekte. Im Social Web sind Wissen und dessen Vermittlung, Information und deren Verbreitung nicht mehr nur Fachleuten vorenthalten. Im Gegenteil: Eine Flut von Informationen überschwemmt die «Social Media Seen». Dadurch wird das Strukturieren und Bewerten von Informationen zu einem entscheidenden Faktor, um die Aufmerksamkeit der Nutzer zu gewinnen und relevant sein und bleiben zu können. Und genau diesen Nutzen kann ein qualifiziertes Beratungsunternehmen bieten: relevante Informationen werden durch Fachleute gesichtet, priorisiert und, wo nötig mundgerecht aufbereitet. Vom Dialog profitieren schlussendlich alle, die Kunden beziehungsweise Auftraggeber, Partner wie auch wir als Dienstleister.

Worauf muss Deiner Meinung nach ein KMU bei der Erstellung einer Strategie achten?

Das Unternehmen muss sich im Markt positionieren. Gleiches gilt auch in den Sozialen Medien. Deshalb bilden die Analyse der Ausgangslage sowie das gewünschte Ziel wichtige Grundlagen der Strategie. Jedes Unternehmen muss sich die Fragen stellen: Welches sind unsere Stärken und Schwächen? Wie ist unsere Positionierung im Markt? Welches sind unsere Dialoggruppen? Was erwarten sie von uns in den Sozialen Medien? Welchen Zusatznutzen können wir ihnen bieten? Das Resultat ist eine Fülle von Ergebnissen aus den eigenen Umfragen, Untersuchungen und Analysen sowie eine tägliche Flut neuer Informationen aus Internetrecherchen. Diese Menge an „Daten“ gilt es zu verdichten, relevante Erkenntnisse zu formulieren, Ziele zu definieren und eine stimmige Strategie festzulegen. Das hat im Falle unseres Unternehmens zur Beschränkung auf wenige Soziale Medien geführt, nämlich Twitter, XING und als zentrales Element der Firmenblog.

Was hast Du bei der Erstellung der Strategie gelernt?

Zum einen habe ich mich noch nie so lange und intensiv mit einem Thema auseinandergesetzt. Allein der Umstand ans Ziel gekommen zu sein, beurteile ich als Lernerfolg. Zum anderen ist mir klar geworden, dass die Strategie einer Ausrichtung aufgrund einer Momentaufnahme entspricht. Die Sozialen Medien mit ihrem grenzenlosen Austausch in Wort, Bild, Ton und allen Kombinationsformen stehen erst am Anfang ihrer Entwicklung. Weder technische Fortschritte, das künftige Nutzerverhalten, noch gesellschaftliche Auswirkungen lassen sich voraussagen. Damit der Einsatz Sozialer Medien einen Nutzen bringen kann, ist es unabdingbar, die Wirkung zu beobachten, die Veränderungen zu verfolgen und das eigene Engagement immer wieder zu hinterfragen.

In manchen Unternehmen sind Sozialen Medien eher ein rotes Tuch als etwas, das sich zur Kommunikation mit den Kunden einsetzen liesse. Wie war das bei Euch?

Soziale Medien sind auch in unserer Firma kein Thema gewesen, bis zu dem Zeitpunkt, als ich im Rahmen meiner Weiterbildung recht unbedarft einen internen Blog aufsetzte, in der Überzeugung, dass wir den Wissensaustausch damit verbessern und den Mailverkehr vereinfachen könnten. Ich musste feststellen, dass sich ein neues Kommunikationsmittel nicht einfach einführen lässt. Die Vorbehalte gegenüber der neuen Technik und der Datensicherheit im Internet waren zu gross, als dass die Neugier die Mitarbeitenden zum Experimentieren motiviert hätte. Aber von da an haben wir uns regelmässig über Soziale Medien unterhalten und der Blog ist im kleinen Rahmen doch noch zum Versuchsfeld geworden. Zusammengefasst kann ich sagen, dass die grosse Skepsis einer Offenheit gewichen ist. Die Mitarbeitenden erkennen, dass wir uns als Firma dieser Kommunikationsform kaum verschliessen können. Abgesehen davon, gibt es einige Mitarbeitende, die privat sehr aktiv in Sozialen Medien sind.

Was hat dazu beigetragen, dass sich die Skepsis Deiner Kolleginnen und Kollegen in Offenheit gewandelt hat?

Wir wählten Social Media als Thema unserer jährlichen internen Weiterbildung. Dabei hast du ja als externe Beraterin das Social Media Know-how vermittelt. Ich stellte die Social Media Strategie vor und anschliessend diskutierten wir mit den Mitarbeitenden in Gruppen über ihre dringenden Fragen und Vorbehalte rund um den Einsatz der Sozialen Medien für das Unternehmen. Am Ende der Weiterbildung waren die meisten überzeugt davon, dass uns ein Engagement Vorteile bringen könnte und waren einverstanden damit.

Wie ist es Euch gelungen, die Strategie so rasch umzusetzen?

Da ist ein glücklicher Umstand zu Hilfe gekommen. Wir mussten infolge einer firmeninternen Umstrukturierung die Webseite innert kürzester Zeit überarbeiten. Ich habe die Umsetzung meiner Social Media Strategie an den Relaunch der Webseite gekoppelt. So haben die Rahmenbedingungen auch viel dazu beigetragen, unser Social Media Engagement parallel in die Wege zu leiten und zu starten.

Welchen Nutzen hat das Unternehmen nun von den Sozialen Medien? Wie sieht die Erfolgsmessung, der Return in Deiner Erfolgsrechnung aus?

Wir können nach dieser kurzen Zeit keinen Nutzen belegen. Wir haben uns Ziele gesetzt, wollen die Resultate regelmässig mit Hilfe einfacher Monitoring-Tools auswerten und über das weitere Engagement entscheiden. Aus meiner Sicht hat aber der ganze Prozess mit dem Relaunch der Webseite, dem neuer Auftritt, und der Präsenz in den Sozialen Medien, eine intensive Auseinandersetzung der Mitarbeitenden mit der Firma bewirkt, weil alle in Entscheide einbezogen worden sind. Für die Identifikation mit dem eigenen Unternehmen ist ein solcher Prozess von unschätzbarem Wert. Ausserdem beobachte ich, dass die interne Kommunikation von einem Social Media Projekt profitiert. Durch die Verteilung der Aufgaben auf verschiedene Mitarbeitende ist ein regelmässiger Austausch untereinander wichtig.

Welches sind die Lehren, die Du aus Deiner Arbeit gezogen hast und gerne weiter gibst?

Ich empfehle, dass sich jedes KMU mit den Sozialen Medien als neue Kommunikationsform und deren gesellschaftliche Auswirkungen vertieft auseinandersetzt. Sie haben auch Einfluss auf die Unternehmen. Stichworte dazu sind Transparenz, Wissens-Teilung und kooperative Führungsstrukturen. Als Voraussetzung für den möglichen Erfolg erachte ich eine einfache, authentische Strategie für unbedingt notwendig. Das Engagement in den Sozialen Medien wird idealerweise von der Geschäftsleitung unterstützt, von einigen Mitarbeitenden gepflegt und von möglichst von allen getragen. Das bedingt nicht nur eine sorgfältige interne Information, Weiterbildung sowie die Definition der Verantwortlichkeiten, Richtlinien und organisatorischen Abläufe, sondern auch ein Budget, Vertrauen und Geduld.

Ein passendes Schlusswort. Herzlichen Dank, Gaby für dieses Interview. Ich wünsche Dir und der Nova Energie weiterhin viel Erfolg!

Zur Person: Gaby Roost (50) ist bei Nova Energie seit 1996 für die Kommunikations- sowie Aus- und Weiterbildungsprojekte verantwortlich. Letztes Jahr, im September 2012 schloss sie den Masterstudiengang Multimedia Production and Journalism (MMP) an der HTW Chur ab. Ursprünglich lernte Gaby Roost Primarlehrerin und absolvierte später die Diplomausbildung Journalismus am Medienausbildungszentrum, MAZ, in Luzern. Während dieser berufsbegleitenden Ausbildung wirkte sie mehrere Jahre als Redaktorin bei verschiedenen Regionalzeitungen und wechselte 1991 in den PR- und Marketingbereich. Eine erste Weiterbildung auf dem Gebiet der neuen Medien legte sie mit dem Nachdiplomkurs Online-Journalismus, ebenfalls am MAZ in Luzern, ab.