Die Frage nach den Auswirkungen von Social Media beschäftigte Kirsten Mathiassen in ihrer Masterarbeit «Veränderungen und Entwicklungen von Organisationen durch die Einführung von Social Media Marketing». Ich stand ihr für ein Expertengespräch zur Verfügung. Kürzlich haben wir die Rollen getauscht. Ich interviewte sie. Das Thema dürfte Marketing-, Kommunikations- wie Social Media Verantwortliche interessieren.

1. Kirsten, Du hast Dir den Hut der Organisationsentwicklung aufgesetzt und die systemische Lupe zur Hand genommen. Was hat dich dazu motiviert, Social Media Marketing aus dieser Sicht zu beleuchten?

Ich habe den CAS Social Media & Wissensmanagement beim Institut für Kommunikation und Führung (IKF) gemacht und hätte mir vorstellen können, ein Social Media Freak zu werden. Doch das bin ich nicht geworden. Für mich sind die Sozialen Medien Kommunikationsinstrumente. Ich wollte wissen, wie man diese Tools einsetzt. Ich habe die CAS Organisationsentwicklung & Change Management sowie Transkulturelle Kommunikation & Handlungskompetenzen belegt. Der zweite CAS schärfte mein Bewusstsein stark. In der Folge versuchte ich, zwischen diesen Social Media und Organisationsentwicklung Brücken zu bauen. Da mich die Interne Kommunikation wie die Organisationsentwicklung interessierte, entdeckte ich den MBA Transkulturelle Kommunikation & Organisationsberatung am IKF.

2. Welches war Dein Ziel bei der Arbeit?

Ich wollte in der Praxis überprüfen, ob die Brücken, die ich mir baute, vorhanden sind oder nicht. Das Wort «systemisch» faszinierte mich. Ich entschied, mich dem Aspekt der systemischen Prozessbegleitung zu widmen. Zudem war mein Ziel, für mein eigenes Geschäft ein Dienstleistungsmodell für KMUs zu entwickeln.

3. Du schreibst in deiner Arbeit, dass viele Social Media Angebote keine ganzheitliche organisatorische Betrachtung einnehmen.

Mir ist aufgefallen, dass bei Kommunikationsagenturen mit Social Media Angeboten jeweils stand «man beachte die kulturelle Seite» Punkt. Super, doch was steht dahinter? Ich musste das Themenfeld wechseln, in die Organisationsentwicklung, die mit Denkweisen und nicht nur mit Instrumenten zu tun hatte. Ich wollte schlussendlich Instrumente und Leitfäden, Leitfragen zur Verfügung stellen, damit die systemische Denke eingefangen wird. Es sind eigentlich total banale Fragen, doch wenn man sie sich nicht stellt, hat man mit Social Media keinen Erfolg. Dann ist die Strategie gescheitert oder Social Media schuld. Aber das stimmt ja oft gar nicht.

Der Klassiker ist, dass der Botschafter, der beim Kunden ist, zum Beispiel ein Monteur, von den Aktivitäten des Marketings nichts weiss. Wenn die Verantwortlichen meine Fragen beantwortet hätten, passiert dies nicht.

4. Was empfiehlst Du Social Media Agenturen?

Sie haben ihre Aufgaben im Griff, die machen das gut. Sie sind in ihrem Gebiet die Spezialisten. Die Systemische Lehre (Ansatz) bzw. mein Modell zwingt die Verantwortlichen jedoch, durch meine Fragen, den systemischen Ansatz zu berücksichtigen. Sie können dann die Antworten in die Social Media Strategie und die Strukturen aufnehmen. Ich wünschte mir von den Social Media Agenturen, dass sie im Rahmen ihres Auftrages darauf hinweisen, dass allein die Strategie noch nicht die erwünschte Wirkung bringt, wenn die Unternehmen vergessen ihre Organisation mitzunehmen. Die Agentur und der Auftraggeber sprechen oft die gleiche Sprache, doch sie müssen die Leute im Betrieb und auch die in der Werkstatt mit auf die Reise nehmen.

5. Wie siehst Du die Zusammenhänge deiner Arbeit zur Organisationskultur?

Mir geht es in meiner Arbeit nicht primär um das von KMUs schon fast gefürchtete Wort „Kultur“, weil es so wenig greifbar ist. Es hilft ihnen meist schon sehr, wenn die Organisationsstruktur berücksichtigt wird. In meinem Modell geht es darum organisationstechnische, also aufbau- , ablauf- und führungstechnische Fragen zu stellen. Es geh darum, die Prozesse, die Kommunikations- und Entscheidungswege anzupassen. Zum Beispiel, dass das Marketing dem Monteur eine Kopie des SMS sendet, das verschickt wird.

Ich habe auch gemerkt, dass die Wortwahl sehr über die Akzeptanz entscheidet. Handlungskompetenz hat extrem viel damit zu tun, dass jeder einen eigenen Rucksack hat, mit dem er den entsprechenden Blick auf etwas wirft. Jeder versteht Begriffe aufgrund seines Lebensweges, Lebenserfahrung und Ausbildungsweges etwas anderes. Dieses Bewusstsein und der Umgang damit in der Kommunikation faszinieren mich. Dies bilde ich sehr stark im Modell unter dem Aspekt Führung ab.

6. Führung, Kommunikation und Ganzheitlichkeit sind Kernthemen deiner Arbeit. Wie würdest Du konkret den internen Austausch und das Lernen bei der Einführung von Social Media entwickeln?

Ich bleibe bei meinem Modell. Social Media ist für mich ein Instrument der Kommunikation und beeinflusst die Führung. Führung ist für mich der Einsatz von Führungsinstrumenten, Kompetenz und persönlichem Verhalten. Ganzheitlichkeit ist für mich ein Kontrollinstrument: aus sich herausgehen und das Ganze anschauen. Und Führung verlangt viel Bewusstsein über den eigenen Rucksack: Die Führungsperson muss sich überlegen: wie muss ich sein, wie soll ich mich geben, um das Ziel (Vertrauen Offenheit für Social Media) zu erreichen? Da braucht es zuerst mal Analyse und Bewusstsein. Wo positioniere ich mich als Führungsperson zum Beispiel, um die Social Media Ziele zu erreichen? Welche Kommunikationsinstrumente nutzen wir und welche weitere brauchen wir? Vieles passiert per Mail, als ob das vertrauensfördernd ist oder ein Betriebsrundgang nicht das bessere Instrument sei. Das frage ich mich manchmal.

Abbildung

7. Welche Massnahmen, die Du für die Social Media Marketing-Einführung vorschlägst, sind denn in der „klassischen“ oder heute üblichen Einführung deiner Meinung nicht berücksichtigt?

Abbildung System OrganisationDie ganzheitliche Analyse des Ausgangspunktes wird gerne vergessen. Mit meinem Modell kann die Firma herausfinden, wo sie steht, welche verdeckten Kräfte wirken, wer die Widerständler sind und wo sie mit ihrer Strategie auf Verständnis oder Ablehnung stösst. Das Modell dient dazu, um Gaps zu erkennen.

8. Welches sind die drei wertvollsten Erkenntnisse, die du aus deiner Masterarbeit gezogen hast?

Ersten sollte ein KMU die Ziele von Social Media genau festlegen, so dass die betrieblichen Veränderungen absehbar sind, und sich die Organisation und v.a. die Mitarbeitenden entwickeln können.

In der Führungsarbeit müssen betriebliche, personelle und persönliche Aspekt koordiniert werden. Wissen und Bewusstsein über die Organisation verstanden als soziales System erachte ich als hilfreich und mein Modell soll hier Unterstützung bieten.

Und drittens die Bewusstseinsschärfung und Fokussierung. Um leistungsfähig zu bleiben, müssen Führungsverantwortliche die Umwelt wahrnehmen und ihre Organisation kennen und nur jene Entwicklungen oder Trends verfolgen, die passen und das Unternehmen in Zielrichtung unterstützen.

Wenn ein KMU seine Social Media Ziele formuliert und die Strategie bewusst angeht, dann ist Social Media durchaus ein erfolgreicher Weg.

Herzlichen Dank Kirsten für deine wertvollen Einsichten in das systemische Denken.


Linktipp

 

Zur Person

Kirsten Mathiassen (45) ist Mitinhaberin von optiKom GmbH – Atelier für Kommunikation und Organisation für KMU. Mit einem 50 % Pensum ist sie bei der GVZ Gebäudeversicherung Kanton Zürich für Projekte im Rahmen der Strategie 2020 tätig. Prozessmodellierungen, Projektmanagement, Anlässe sowie Führungsschulungen sind darin Schwergewichte. Im Mai dieses Jahres schloss sie die Masterausbildung «Transkulturelle Kommunikation & Organisationsberatung» am IKF ab.