An der Konferenz «Finance 2.0» sprachen gestern Experten vor rund 200 Teilnehmenden in den Räumen der SIX Swiss Exchange darüber, wie sich der Markt für Finanzdienstleistungen in den nächsten Jahren aufgrund der technologischen Innovationen verändern wird. Innovative Lösungen für altbekannte Dienstleistungen wie Zahlungsverkehr, Sparen, Anlegen und Finanzieren versprach das Programm.  

Wake-up-Call

Anders Bally der sein  Crowd-Intelligenz-Start-Up Unternehmen «Sentifi» lancierte, bestritt zusammen mit und Marc P. Bernegger, Partner bei Next Generation Finance Invest, den Einstieg. Sie nannten es Wake-up-Call. Aufgewacht sind die Banken mittlerweile, wie wach sie schon sind, ist die andere Frage. Eine berechtigte Frage, denn zugegen waren kaum Zuhörer aus dem Private Banking, sondern mehrheitlich (Unternehmens-) Berater. Insgesamt meldeten sich jedoch statt der erwarteten 80 Teilnehmer schlussendlich 200 an, was ein Zeichen sei, dass der Markt nun reif sei, sagte Bernegger. Der Paradigmenwechsel ist im Gange, wobei Amerika und der angelsächsische Raum deutlich weiter fortgeschritten ist als die Schweiz und uns auch Deutschland noch voraus ist. Die Viralität der Sozialen Medien ermöglicht, dass sich Informationen viel schneller verbreiten und auch ausserhalb der klassischen Medien Aufmerksamkeit generieren. «43 % der angelsächsischen Investoren schauen heute schon in den Sozialen Medien nach bevor sie investieren», weiss Bally, «doch die Flut an Informationen in den Sozialen Medien ist riesig. Die Kunst besteht darin, die relevanten Informationen herauszukristallisieren.» Eine besondere Vormachtstellung haben deshalb Beeinflusser wie zum Beispiel Paul Krugmann der New York Times, dem über 1 Million Twitterer folgen. Welche Bedeutung hat die nahezu unheimliche Reichweite einer Person in den Sozialen Menschen für die Börse? Sie kann eine Chance wie auch ein Risiko sein.

Das Fazit des Wake-ups formulierte Bernegger: «Die technologischen Trends ermöglichen neue Geschäftsmodelle, die die alten Wertschöpfungsketten aufbrechen.» 

Banken (sprich: die UBS) im Digitalen Zeitalter

Andreas Kubli, Head Multichannel Management & Digitalization bei der UBS Schweiz ist der einzige Vertreter der klassischen Banken in dieser Referenten-Runde. Er beschreibt die Strategie der UBS zur führenden Multikanal-Bank der Schweiz, die sie werden will. Dass mobile ein Trend ist, wissen sie auch bei der UBS schon lange. Der Anteil von  der mobilen Touchpoints hat sich innerhalb eines Jahres verdoppelt. Die UBS versucht mit Hochdruck, kanalübergreifende Online-Pfade für die Kunden zu entwickeln. Die Banken haben selbst nach der Krise einen starken Brand. Die UBS hat 2.5 Mio. Kunden und kann über 100’000 KMUs direkt ansprechen.Die Ausgangslage für die Banken ist eine gute. Doch wollen die neuen Kanäle einzeln gut aufgebaut sein. Die grösste Herausforderung für die UBS besteht darin sie zu vernetzen und zu integrieren, sagte Kubli. Zwei Meilensteine der UBS-Strategie 1. Mobile App 2. benutzerfreundichere E-Banking Plattform (Nutzer können ihre Einstiegsseite individuell wählen, ein persönlicher Finanzassistent, usw.) Sie werden alle Plattformen weiter entwickeln. Zahlungen sollen mobile getätigt werden können. Per SMS aufs Telefon? Da war die IT-Sicherheit dagegen, lächelte Kubli. Doch zeigt er die neusten Pläne der UBS: 1. Access Card mit NFC 2. Access Card Display Kartenzahlungen können bald mit einem iPhone oder iPad entgegen genommen werden. Die wirklichen Innovationen einer grossen Bank sind extern schlecht sichtbar. Oft sind andere Märkte und Industrien Vorbilder und der Kunde ist sich die Handhabung von neuen Technologien bereits gewohnt, bis eine Grossbank das Steuer drehen konnte und Lösungen anbietet, gibt Kubli in der Paneldiskussion zu.

Fazit: Die UBS hat eine gute Ausgangslage und bleibt dran. Die Prozesse und vor allem die Kultur der Grossbank sind die grösste Herausforderungen, nicht die Technik. 

Private Banking 2.0

Was der Private Banking Kunde von heute erwartet, berichtet Michael Stemmle, Gründer und CEO der additiv AG aus seiner Warte. Die Service-Qualität ist gemäss einer Deloittte-Studie von 2012 das wichtigste Kriterium für den Kunden. Sie wechseln den Finanzdienstleister am häufigsten, weil: Warum wechseln Finanzdienstleister? Weil .. 1. kein Rückruf erfolgte (54 %) 2. keine pro-aktive Kontaktaufnahme stattfand (49 %) 3. keine guten Ideen / Vorschläge gebracht wurden (46 %) Verluste fallen als Grund für einen Wechsel weniger ins Gewicht. Die wichtigsten Handlungsfelder des Privatebankings sind laut Stemmle:

  • Service
  • Involvement
  • Pro-aktive RM/CA
  • Delegation
  • Mehr Digital
  • Kontrolle/Sicherheit

Der Kunde wird immer mehr selbst tun, was der eigentliche Wake-Call für die Private Bankers ist. Merke: Die Kunden wollen eine verständliche Kommunikation. Das vollständige Referat.

Fazit: Private Banking ist nicht Self-Service und nicht Trading (sonst kann er zu Swissquote gehen), sondern Service. Er will pro-aktiv informiert sein und die Dinge vermehrt selbst in die Hand nehmen. 

Von der Hotelbewertung zur Finanzproduktbewertung

Es geht ihm nicht um Finanzproduktbewertung, sagt Christian König von Finanzpro GmbH zu Beginn seines Referats. Er verantwortet einen Branchenblog für Strukturierte Produkte, ETF, Fonds, CFDs und andere Finanzprodukte mit speziellem Fokus auf Trends, Monitoring, Vermarktung und Social Media. Sein Credo: Wir wollen «earned media». Doch die Banken sind noch nicht auf dieser Schiene. Es gibt noch keine gescheiten Bewertungsseiten oder soziale Plattformen und Blogs sind rar. Noch immer werden Finanzprodukten in den alten Foren diskutiert. Die rasante Geschwindigkeit des mobile Business werde unterschätzt – er jedenfalls habe unterschätzt wie schnell es vorwärts geht. Doch wenn er den Content anschaue, den Finanzdienstleister produzieren, dann … er schmeisst die Print-Publikationen, die eh niemand mehr liest, demonstrativ in die vor ihm stehenden Papierkörbe. Sie haben sehr guten Content, doch wer lese sie noch – aktuelle Kurse und Dokumentationen werden heute online gesucht. Ausserdem macht er auf die Betreffzeile der Newsletter und die Notwendigkeit von Landingpages aufmerksam. Christian König provozierte bewusst, um gehört zu werden. Die Slides des Referates sind auf Slideshare abrufbar.

Fazit: Content-Marketing steckt bei den Finanzdienstleistern offensichtlich noch in den Kinderschuhen. 

Stockpulse: Socialmedia bietet die Chance auf Alpha

Eines der lukrativsten Aussichten einer innovativen Lösung, zeigte Referate  Jonas Kraussu mit dem  im 2011 gegründeten Unternehmen Stockpulse GbmH auf. Er hatte sich mit seinem Partner Stefan Nann bereits zu Studienzeiten mit der automatischen Auswertung von unstrukturierten Texten und der Analyse von digitalen sozialen Netzwerken beschäftigt. 90 % der Entscheide basieren auf Psychologie. Auf Twitter und anderen Kanälen sei diese gut «spürbar». Einzelne Tweets können einen Aktienkurs oder eine Währung massiv unter Druck setzen. So geschehen, als ein Fake-Tweet eine Explosion im Weissen Haus kommunizierte oder eine Nachrichtenagentur via Twitter mitteilte, der Bundesbankpräsident Weidmann trete zurück. Durch Big Data Analyse werden von Stockpulse mehrere 100’000 Nachrichten pro Tag verarbeitet. Sie bewerten mittels

  • Fundamentale Analysen
  • Technische Analysen
  • Sentiment Analysen

Das vollständige Referat.

Fazit: Sentiment-Analysen der Sozialen Medien sind nicht länger vernachlässigbar. Anders ausgedrückt:

Die getwitterten Meinungen auf Storify.

Ayondo: Follow your top Trader

Thomas Winkler von Ayondo GmbH präsentiert  Social Trading als neuer Trend im Banking und postuliert, dass Social Trading das Asset Management demokratisieren wird und die Art, wie Endkonsumenten ihr Geld anlegen. Es geht dabei um den Austausch von Handelssignalen in sozialen Netzwerken durch die heute verfügbaren technischen Möglichkeiten.

  • Dazu braucht es ein Konto bei Ayondo.
  • Der Ayondo Kunde verdient mehr, wenn der Trader mehr verdient. Die Anteile des Traders werden dafür unter den Followern aufgeteilt.
  • Nur Trades, die effektiv erfolgen werden gerackt. Ayondo ist der Schiedsrichter zwischen Trader und Followers.
  • Das Folgen bestimmter Trader kann jederzeit via smartphone gestoppt werden
  • Der Zugang ist nicht einer bestimmten Investorengruppe vorbehalten
  • Der Follower kann direkt auf offene Positionen zugreifen
  • Wettbewerbsfähigkeiten: gleiche Konditionen gelten für grosse und kleine Trades

Das vollständige Referat.

Fazit: Diese innovative Plattform ist eine Basis für kurze Investitionsszyklen.   

Finance 2.0 macht auch vor Medien nicht halt

Simon Virilis der NZZ Mediengruppe führte seine Partner ein, die aufzeigten, wie die NZZ Mediengruppe an der Wertschöpfungskette der Finanzdienstleister der nächsten Generation partizipiert.

  • Interactive Advice (MDC Media AG) ist die künftige digitale Finanzberatung für Private. Das Referat. Der Referent: Noel Blessing
  • Qontis, das Schweizer Personal Finance Management Tool mit eigenem Online-Magazin. Die Produktvorstellung. Der Referent: Niels Reimelt 
  • Mydepotcheck , der Sparring-Partner für Privatanleger. Mydepotcheck will Anlegern zudem einen transparenten Vergleich der Bankenangebote liefern. Ein Comparis der Banken?  Das Referat. Der Referent: Ivo Streiff 

 

Paneldiskussion mit den Experten

Finanzen 2.0 - PaneldiskussionMit den Experten Marc P. Bernegger (NextGFI), Andreas Kubli (UBS AG),  Michael Stemmle (additiv AG) und Gerhard Schwabe, Universität Zürich (v.l.n.r.) wurde unter der Leitung von Corin Ballhaus, Ballhaus Wording die Paneldiskussion eröffnet. Für Schwabe ist Lakmus-Test einer Bank, wie sie einen Kunden einteilt. Statt Kategorien schlägt er vor zu unterscheiden, was der Kunde will: a) delegieren (Kunde delegiert alles an die Bank) b) Kunde traut niemandem (will hingehen und alles wissen c) kooperierender Kunde (gemeinsame Lösungen suchen). Die UBS teilt grob nach Segmenten, doch schlussendlich wählt der Kunde, wie er welche Angebote der Bank nutzt, antwortet Kubli ihm. Bernegger weist darauf hin, dass die Bedürfnisse der Bankkunden noch nicht erfüllt werden. Welche Angebote sich durchsetzen werde Markt zeigen. Das Knabbern der Start-ups an den Wertschöpfungsketten kann grössere Ausmasse annehmen und den Anbietermarkt plötzlich ändern. Er rät, lieber früher auf Kollaboration zu setzen, denn so bald die alternativen Modelle wachsen, kann es für bisherige Anbieter zu spät sein. Startups sind Katalysatoren. Der meiste Druck kommt heute von Post Finance, nicht von Start-ups, gab Kubli zu Bedenken. Der Kunde lernt auch von anderen Industrien, was sich durch einen gesteigerten Erwartungsdruck von Kunden bemerkbar mache. So bald der «Proof of Concept» da ist – können die Banken entscheiden, ob sie kaufen wollen oder es selbst machen wollen. Die Startups, die durchkommen könnten aufgekauft werden. «Tradition to innovate» haben Banken keine, sind sich alle einig. Stemmle meinte, dass eher die agileren Banken das Geschäft machen werden, als die Start-ups. Die Kostenbasis ist die Problematik für Grossbanken (Massengeschäfte). Entweder die neuen Start-ups inspirieren sie oder die eher die kleinen Banken gewinnen, weil sie die Regulationen bereits erfüllen und agil genug sind, sich den neuen Begebenheiten anzupassen. Schwabe prognostizierte, dass eines der Start-ups in den nächsten drei Jahren in einen Betrugs-Skandal verwickelt werde.

Fazit: Die Banken werden den Innovationssprung zu 2.0 gar nicht alleine machen können. Zusammenarbeit mit innovativen Partnern ist für die Banken zentral. Wer agil genug ist und die Regulationen einhalten kann, wird gewinnen.  Links

Medienberichte